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[   Band 5 Brief 9:   Caroline an Humboldt    Berlin, 29. Juli 1815   ]


Alexander malt noch immer, er hat sich aufs neue gemalt, und
Steuben *) hat zwei Bilder von ihm fertig. Von seinen Finanzen
spricht Alexander diesmal gar nicht. Er ist den ganzen Tag um
den König.
Du erinnerst Dich, liebes Kind, daß ich einen langen Brief
der Charlotte **) in Berlin erhielt. Ich bin erst hier dazugekom-
men, ihn zu lesen. Er ist entsetzlich lang, allein enthält doch zwei
Tatsachen, wovon die eine wirklich merkwürdig ist. Sie schreibt,
daß sie in Göttingen wunderbarerweise auf einmal hergestellt ist,
und daß sie monatlich nicht mehr als 10 Taler braucht. Sie könnte
also mit unsern Revenuen eines Jahres weit über 200 Jahre leben.
Mich trösten immer solche Erfahrungen sehr. Man kann nie wissen,
wie es einem einmal ergeht, und man muß immer sich in der edlen
Gesinnung erhalten, unabhängig vom Gelde zu bleiben.
Lebe wohl, teure, liebe Seele. Ewig Dein H.


11. Humboldt an Caroline                      Paris, 2. August 1815

Mit mir steht es jetzt so. Es ist von nichts anderem die
Rede, als daß ich, ohne nach Berlin zurückzugehen, hier
als Gesandter bleiben soll. Allein ich sehe dabei zweierlei
Dinge so gut als mit Gewißheit voraus; einmal, daß ich diesen
Posten nur sehr kurze Zeit behalten werde, zweitens, daß ich auf jeden
Fall wohl bis zum Frühjahr wenigstens werde bleiben müssen.
Lange hierzubleiben, kann ich bei dem Zustand der Gesundheit

———
*) Steuben, russischer Maler, in Frankreich aufgewachsen, siehe Bd. IV.,
S. 276 u. 328.
**) Charlotte Diede, geborene Hildebrand, geb. 1769, † 1846, an die
Wilhelm v. Humboldts »Briefe an eine Freundin« gerichtet sind. Siehe
Bd. IV, S. 406 f.

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