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[ Band 4 Brief 199: Humboldt an Caroline Wien, 1. Oktober 1814 ]
199. Humboldt an Caroline Wien, 1. Oktober 1814 Du endigst einen Deiner Briefe damit, in welchem Trubel wir hier leben müssen. Ja, holde Seele, dieser Trubel hat jetzt seinen Gipfel erreicht. Ich spare meine Zeit, wo es nur möglich ist, ich bin neulich z. B. keineswegs zum Feuerwerk im Prater gewesen, denn die Geschäfte, Hofpflichten, gesellschaftliche Höflichkeiten und die Besuche bei mir wachsen nunmehr so ungeheuer an, daß ich kein anderes Mittel mehr kenne, als nur immer fest- zuhalten, was der Augenblick fordert. Darin aber bin ich auch stark, und so erhalte ich mich in Besonnenheit, Heiterkeit und Ruhe. Stürme gibt es daneben auch von Zeit zu Zeit, die haben mir aber von jeher wenig getan. Vorzüglich unbequem sind die hier sich aufhaltenden Preußen. Du hättest mich nur gestern abend sollen nach Hof fahren sehen. Ich hatte 25 hinter mir in einem Zuge, der in ganz Wien Aufsehen machen mußte. Es war der erste Cercle in Gala, allein die Menschenmenge war so entsetzlich im Saal selbst, daß die Operation, die jeder vorzunehmen hatte, bloß ganz simpel darin bestand, daß man, ohne sich zu rühren, dastand und sich den Schweiß von der Stirn fließen ließ. Von meinem ganzen Gefolge konnte ich dem Kaiser nur fünf nennen, und ich gehörte noch unter die wenigen Gesandten, mit denen der Kaiser wirklich sprach. Graf Münster *) hat gestern einen sehr unangenehmen Vorfall gehabt. Er fuhr mit Hardenberg **), dem Perfiden, am Morgen in einem Mietswagen zur Kaiserin von Rußland. Auf einmal läuft ein Hinterrad ab und der Wagen fällt um. Münster fühlt gleich einen heftigen Schmerz, und es findet sich, daß er eine Rippe ge- brochen hat. Ich besuchte ihn gestern abend, er klagte über sehr ——— *) Vgl. S. 282. **) Vgl. S. 35. 391