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[   Band 4 Brief 199:    Humboldt an Caroline    Wien, 1. Oktober 1814   ]


heftige Schmerzen, lag auf dem Rücken und muß in dieser Lage einige
Tage wenigstens bleiben. Ohne allen Neid habe ich ihn nicht ansehen
können. So auf einmal aus aller Unruhe in sein hübsches, einsames
Bett geborgen zu sein, keine Schuld zu haben an dem, was geschieht,
und durch die Zerbrechlichkeit aller menschlichen Rippen so aus der
eignen Schuld, untätig zu bleiben, gesetzt zu sein, hat einen gewissen
Reiz. Ich scheine noch einige Zeit in der Bewegung bleiben zu
sollen und finde mich auch darein. Geriete ich aber auch einmal in
solche Stockung, so denke ja, daß ich nicht traurig darüber bin.
Es ist nicht alles eitel in der Welt, das weiß Gott, aber alles
das äußere Umtreiben ist es immer, wenn es auch noch so prächtige
und anscheinend gehaltvolle Vorwände hat. Der eigene Gehalt
und die Liebe von und zu anderen, außer diesen beiden gibt es
nichts Wahres und Wesentliches. Denn wie die Umstände gehen,
glücklich oder widrig, so gewinnen sie immer, und geben immer
Glück, nur in mehr oder minder freundlicher Gestalt.
Von Goethe habe ich einen sehr hübschen Brief aus Wies-
baden. Er ist aber einen Monat alt. Er erwähnt Deiner mit
vieler Liebe. Es gefällt ihm außerordentlich da, und er erzählt mir
von der Einweihung einer Kapelle des heiligen Rochus über Bingen,
bei der 10000 Menschen und zum erstenmal bei einer solchen Volks-
gelegenheit beide Rheinufer wieder vereinigt gewesen sind. Er
schickt mir den Brief durch einen Sohn Bertuchs *), der mit Cotta
hier ist, um durch den Kongreß dem Nachdruck zu steuern! Zu
mir kommen diese natürlich besonders, und ich denke, es wird doch
auf eine oder die andere Weise dafür etwas geschehen können.
Die arme Huber **) hat mir auch geschrieben und bittet um Pension,

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*) Buchhändler aus Weimar.
**) Therese Huber, Tochter des Philologen Heyne, geb. 1764, † 1829, in
erster Ehe mit Georg Forster verheiratet, seit 1804 Witwe des Schriftstellers
Ludwig Ferdinand Huber.

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