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[ Band 4 Brief 198: Caroline an Humboldt Heidelberg, 28. September 1814 ]
gleich wieder hin. Den Abend habe ich Paulus *) mit seiner Emilie gesehen, heute werde ich zu Voß **) gehen. Ich war auch wieder ein paar Stunden auf dem Schloßberg und sah dort die Sonne blutrot untergehen. Es ist eine wunderbar schöne Ruine, und man geht wirklich in verflossenen Jahrhunderten herum. Über die Bilder kann ich wirklich kaum zu mir selbst kommen, und sie mit Goethe zu sehen, ist eine eigene Gunst des Schicksals. Das Vaterland empfängt mich freundlich. Dazu ist das Wetter so mild, so schön, man meint mitten im Sommer zu sein, und meiner Brust tut die linde Luft ungemein gut. Ich kann nicht genug Deine Beschreibung des großen Bildes bei Boisserées, des Todes der Maria, bewundern, die Du mir vorigen Winter machtest, wie Du hier warst. Ein recht wunder- bares Bild ist mir das kleine, dessen Du Dich vielleicht erinnerst, der heilige Christoph, der das Jesuskind trägt. Der Maler hat das Geheimnisvolle dieser Legende auf eine unbeschreibliche Weise empfunden und wiedergegeben, die Nacht, die entflieht, die von unten herauf durch die aufsteigende Sonne erhellten, wunderschönen lichten Wolken, die Reihe der Berge, die sichtbar werden, der reißende Strom, der in hohe Wellen aufschlägt, da, wo der Heilige das Kind durchträgt und oben eine ruhige Wasserfläche darbietet, in der die Lichtsäule der Sonne sich spiegelt und glänzt — — das Bild ist wie eine Verkündigung des ewigen Lebens nach den Stürmen hienieden. Ich könnte tagelang davor stehen. Adieu, süßes, bestes Herz. Die Kinder grüßen. Ewig Deine Li. ——— *) Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, geb. 1761, † 1851, Professor der orientalischen Sprachen und der Theologie, seit 1811 in Heidelberg. **) Vgl. S. 196. 390