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[ Band 3 Brief 224: Caroline an Humboldt Rom, 5. September 1810 ]
Villa Aldobrandini, und sah mit Trauer und Sehnsucht über Rom hinaus. Du erinnerst Dich gewiß der Aussicht. Wir gingen im Anfang unseres Hierseins oft nach Villa Aldobrandini. Ach! wer hätte da gedacht, daß lange Zeit hindurch so wilde, barbarische Töne dort dominieren würden, vorig Jahr die Schuwaloff, dies Jahr Blankenhagens, und wenn schon diese gewöhnlich deutsch reden, so sind sie doch in tiefster Seele und Natur so russisch und meinen, daß von da die Kultur ausgehen müßte, daß einen ein recht inniges Bedauern der Entweihung solcher geweihten Örter anwandelt. Ohne alle Sentimentalität, das ist überhaupt die dominierende Empfindung, die man jetzt hier hat. Aber wie man in der Liebe sich umnöglich von dem Geliebten loszumachen vermag, wenn es unglücklich ist, wie sogar das einen tiefer und tiefer bindet, wie man mit der ganzen, zum Glück noch unermessenen Fülle der Emp- findung die Wunden zu heilen versucht, die das unabwendbare Schicksal schlägt, so heftet sich die Seele noch mit mehr Liebe jetzt an das ganz gesunkene Rom. Tausendmal ist mir’s eingefallen: »Möcht ans Herz ich diese Öde drücken« *) usw., und die ganze Strophe, wo drinnen vorkommt: »Sanft noch blickend in den öden Wänden«. Überhaupt ist doch dies ganze Gedicht mit das Tiefste, was man hat machen können. Ich gäbe mein halbes Leben darum, es gemacht zu haben. Ich las es letztens mit Schlosser **), der gar kein sentimentaler, aber sehr tief fühlender, unendlich lieber Mensch ist, und es kamen ihm mehr wie einmal Tränen in die Augen. Schlosser ist mein liebster Umgang hier. Werner ***) sehe ich auch viel. Er ist aber doch zu bizarr. Rauch hat Werners Büste gemacht von einer solchen Ähnlichkeit, daß man ordentlich davor erschrickt. ——— *) Aus Humboldts Elegie »Rom«. — **) Vgl. S. 146. ***) Vgl. S. 60. 466