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[ Band 3 Brief 224: Caroline an Humboldt Rom, 5. September 1810 ]
Die Büste der Königin ist Tag und Nacht geformt worden und geht morgen ab. Rauch hat sich wirklich nicht eine Stunde dabei gesäumt. Wegen meiner Meubles und Betten stehe ich im Handel, letztere hoffe ich nicht übel zu verkaufen wegen des hohen Preises der Wolle, aber mit den Meubles wird großer Verlust sein, denn alle Ankäufer sind überfüllt wegen des Wegreisens so vieler an- gesehener Personen und wegen der Aufhebung der Klöster, wo man um Bajocchi *) weggegeben hat. Bei einem Kanonikus hat man 400 Bilder in Rahmen für 24 Paol **) weggegeben. Ich will glauben, daß diese Bilder alle Robaccia ***) waren, allein nur das Holz der Rahmen ist hundertfach diesen Preis wert. Die Juden sind hier sehr reich geworden, aber auch sehr unglücklich, denn da man die Porta del Ghetto ausgehoben hat, so machen sich die Trasteveriner einen Spaß daraus, die ganze Nacht in den Höfen des Ghetto zu singen unter Prätext, daß man in den Sommernächten nicht schlafen könne. Wir haben alle Tage den drückendsten Scirocco. Letzthin brachte ich meinen Abend in Villa Mellini allein mit den Kindern zu. Nach dem Soracte hin war die allerschönste Hellig- keit, und ein wunderbares violettes Abendrot flammte am Himmel auf, als die Sonne unter war. Aber über dem Sabinergebirge und Monte Cavo lagen die dunkelsten Wolken, in denen es unauf- hörlich blitzte, daß die schwarzen Wolken an einer Stelle einen bleibenden rosigen Schimmer behalten hatten. Unten lag Stadt und Fluß in unaussprechlicher Schwüle und Stille, wie wenn sie Gottes Gerichte erwartete. Gott, wie war es schön, und wie habe ich an Dich dabei gedacht! Mit meinen Reisearrangements geht es auch vorwärts. Denke ——— *) 1 Bajoccho etwa 4 Pfennig. — **) 1 Paolo etwa 40 Pfennig. ***) Plunder. 467