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[ Band 3 Brief 123: Humboldt an Caroline Königsberg, 13. Oktober 1809 ]
mand je ganz gekannt hat, und auch mich spricht noch sehr oft etwas in Dir als neue Schönheit und neue Tiefe an. Wenn mich das Schicksal nur nie so unglücklich macht, Dich, einziges himmlisches Wesen, auch nur auf kurz zu überleben, denn lange ist es unmöglich, das fühle ich deutlich. Ohne Willen, ohne Entschluß. Aber wo das Herz einmal so eins geworden ist, kann es die Trennung nicht mehr tragen, davon bin ich tief überzeugt. Im Grunde aber hat uns das Schicksal doch sehr begünstigt, und vor allem so recht unsre Liebe und unser Zusammensein. Es hat uns wunderbar vereint, und hat uns Freiheit gegönnt, nur für einander zu leben, es hat uns — ach Gott, denn auch das muß man mehr dem Schicksal, als sich selbst zuschreiben — immer klar erhalten, einen über den andern, daß wir uns nie mißverstanden, es wird auch barmherzig sein in den letzten entscheidenden Epochen des Lebens. Und dann wünschte ich, daß wir noch recht lange, wie ich auch glaube, so lebten; die Kinder wären dann groß, ständen sicher allein und wir wären frei. Wen dann auch das Geschick zuerst riefe, dem folgte der andere bald nach, und wir ruhten gewiß und sicher beisammen. Ich weiß nicht, warum es mich so hinreißt, gerade davon zu reden. Aber die Trennung vom Liebsten macht die Seele trübe und gibt oft eine Bangigkeit, zu der nirgends eine Ursache nah liegt. Von Theodor habe ich seit meiner Rückkunft noch keinen Brief, aber ich weiß durch Uhden *), daß er wohl ist. Auch schreibt mir einer seiner Lehrer weitläufig über ihn. Er ist fleißig und brav, im Lateinischen macht er nicht sehr schnelle Fortschritte, aber in Mathematik sehr gute. Er soll durch Ehrgeiz, besonders durch Wetteifer mit Carls Hellmuth **) zu allem zu bringen sein, daher zu Hause sehr viel und gut arbeiten, aber in den Stunden manchmal Flüchtigkeit zeigen. Da sich nun seine Anlagen wirklich bestimmt ——— *) Vgl. S. 62. — **) Vgl. S. 130. 259