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[   Band 3 Brief 76:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 23. Mai 1809   ]


als von Essen zu nähren. Das Essen ist viel gröber und ge-
meiner. Indes habe ich vielleicht auch nur hier solche Verachtung
des Essens, weil man hier unendlich schlecht ißt. Der einzige Prinz
Radziwill *) und Madeweis **), dessen Du Dich noch von Halle her
erinnerst, machen eine Ausnahme. Auch bin ich gegen Prinz Radzi-
will voll der ausgesuchtesten Attentionen. Auch nur alle drei
Wochen gut zu essen, ist schon immer ein Gewinn. Man hat doch
ein paar Nachmittage im Monat vornehme und gehörige Gedanken.
Tausend Dinge lassen sich jetzt nicht schreiben. Aber ich versichere
Dir, das schlechte Essen, als ein Teil des bürgerlichen Lebens, ist
ein recht tiefes Übel hier.
Mit dem Agamemnon ***) steht es wieder recht übel. Eben der
Umstand mit den Chören, und dann daß Wolf und ich nicht wollen,
daß er gedruckt werden soll, solange nicht alle kleinen Flecken heraus
sind, machen, daß wir noch immer daran feilen wollen, und nun
habe ich jetzt selten Stimmung und Muße. Aber Deine Liebe
dazu wird mir auch neuen Eifer dafür geben.
Addio anima mia!    Ewig Dein H.


77. Humboldt an Caroline              Königsberg, 26. Mai 1809

Laroches Anwesenheit in Berlin ist in Rücksicht auf Theodor
ein unbeschreibliches Glück für uns. Darum bleibe ich
immer dabei: das einzig Feste in der Welt sind die
Menschen und ihre Empfindungen. Wer nur der Liebe irgend
wert ist, kann auch auf Liebe bauen.

———
*) Vgl. S. 135.
**) Polizeirat in Halle.
***) Vgl. S. 9.

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