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[ Band 6 Brief 166: Humboldt an Caroline Frankfurt, 7. Januar 1819 ]
mich übrigens ganz wohl hier. Ich gehe sehr wenig aus, bin also den Tag über meist allein, den Abend aber einen um den andern Tag von 6 bis 11 bei Stein. Ich wende meine Zeit auch nicht übel an. Ich meine damit nicht gerade, daß ich für mich wie immer studiere, sondern auch, daß ich die Gelegenheit der Nähe Steins hier zu mehreren jetzt gerade bei uns wichtigen Dingen benutze. So hat er seit einem Jahr sich sehr mit den Ständischen Angelegenheiten Westfalens beschäftigt, und die alten Stände dort haben neue Plane in Vorstellungen an den König überreicht. Alle Verhandlungen lese und bespreche ich hier mit ihm. Man kann sich damit eigentlich kaum genug beschäftigen, und es sind in den Steinischen Papieren wirklich treffliche Aufsätze. So ist ein histo- risch raisonnierender über den Adel, den zwar *) . . . Schlosser **), der Arzt, aber ganz nach Steinischen Ideen und kleinen Aufsätzen geschrieben hat, der sehr geistreich ist. Du weißt gewiß, daß Stein viel auf den Adel hält. Dann habe ich ebenso auch die Verhand- lungen hier gelesen, die die Gesandten mehrerer . . . Fürsten hier über die Verhältnisse mit dem Papst gemacht haben. In diesen hat Wangenheim viel gearbeitet, und das ganze scheint mir sehr gut. Es wäre nur zu wünschen, daß man von unserer Seite auch daran Teil genommen hätte, und nicht nur für sich soweit gekom- men wäre. Schrieb ich Dir, daß ich Adelheid amarantenen Sammet habe kaufen lassen, genug zu einem Schleppkleid? Der Major Martens, der hier mit seiner eben geheirateten Frau durchging, hat ihn mit- genommen. Die neue Dame finden einige Leute hübsch, weil sie lebhafte Augen hat. Wie es aber immer geht, wenn man nichts als Augen hat, wenn sie sie zumacht, sieht sie geschworen wie eine Katze aus. Ich weiß wohl die Augen zu schätzen und habe ja ——— *) Abgerissene Stelle am Rand. **) Vgl. S. 215. 429