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[ Band 5 Brief 177: Caroline an Humboldt Lacco, 14. August 1817. ]
volle Tag, wo ich Wilhelms schönes Leben dahinschwinden sah — — — in der nächsten Nacht verhauchte er das süße Leben. Es sind 14 volle Jahre. Wie überlebt man solche Momente! Theodors tödliche Krankheit, die entsetzliche Spannung und Fatige, in der dieser Zustand uns hielt, war die erste Aufforderung, dem Schmerz nicht zu unterliegen. Man kann viel leiden. Das ist nur zu gewiß. Und oft zu viel. Ich wünsche sehr, daß Du Hirt über die Äginetischen Statuen sprechen mögst. Die Restauration von Thorwaldsen ist ordentlich ein Wunder, allein mit der Art sie aufzustellen bin ich gar nicht zufrieden. Da von dem einen, dem kleineren Fronton, so viel Statuen übriggeblieben, daß man die Gruppe, die sie ehemals ge- bildet haben, herausbringen konnte, so hätte ich noch gesucht, sie so ineinanderschieben zu lassen, wie sie standen. Der Anblick müßte viel gelehrt haben, über vieles Aufschluß gegeben haben. Cockerell *) hat herausgebracht, daß auch die Niobe mit ihren Kindern auf solchem Fronton stand, er hat es durch die Maße einiger der Kinder dargetan. Thorwaldsen ist zu einer schwindlichten Höhe als Künstler gestiegen, und es gelingt ihm jetzt, die Gestalten seines Künstler- sinnes gleichsam wie durch einen Zauberschlag hinzustellen, die Mühe ist überwunden, und nichts erinnert mehr beim Anschauen des Werkes, daß es gemacht ist. Es steht da, wie schon in Schillers schönem Gedicht . . . ach nein, in Deinem »Rom« steht es ja: »Aus dem Nichts da sprangen die Gestalten« usw. Seine eben vollendete Tänzerin muß man gesehn haben. Die Hand des Kanonicus **), und wie er immer um Wilhelms willen bittet, hat mich sehr gerührt. Ich hatte oft so süße Ahn- ——— *) Charles Robert Cockerell, geb. 1788, † 1863, englischer Architekt und Archäolog, studierte von 1810—1817 in Italien. **) Vgl. S. 83. 376