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[ Band 5 Brief 147: Caroline an Humboldt Florenz, 22. Mai 1817 ]
gefunden. Der treue alte Baron gibt mir drei Zimmer, und August und Adelheid werden wohnen, wo ehemals unsere Jungens mit dem Lehrer wohnten. Die Buti wird uns kochen. So wird die Täuschung für mich beinahe vollkommen sein. Von Rauch habe ich nichts hier gefunden, was mich vermuten läßt, daß er her- kommt. Wir nehmen hier wieder den Anastasio *), der mich schon zweimal fuhr. Zwischen Venedig und Bologna, unendlich mehr aber noch zwischen Bologna und der Toskanischen Grenze haben wir ein Elend, eine Bettelei gefunden, von der Du Dir keinen Begriff machen kannst. Eine ganze Population ist von den Apenninen heruntergekommen, sich vom Hungertode durch Betteln zu retten. Du kannst Dir vor- stellen, daß das nicht ausreicht. Man hat solche Bilder des Elends und der Verzweiflung nie gesehen. Wir mußten oft weinen. Ein Mann trat uns sehr wehmütig an, ich habe nie eine solche verzogene Physiognomie gesehen, ein langes Messer hing ihm zur Seite, seine drei Kinder, sagte er, seien aus Hunger ge- storben. — Sie essen Gras wie das Vieh, diese Nahrung, der höchste Mangel, erzeugen die Krankheiten, die in Italien herrschen, doch beinah nicht aus der Klasse dieser Unglücklichen gekommen sind. Seit fünf Jahren sind Mißernten, die letzte war es total. Wenn sie Dich aus Berlin lassen, mein süßes Herz, ich meine nicht nach Frankfurt, denn das ist doch abzusehen, so weiß ich nicht, was ich dazu sagen soll. Es wäre mir sehr traurig, Gott weiß es, nicht für uns, auch nicht aus ambitiösen Ansichten, aber so im allgemeinen. Die Kränklichkeit des Kanzlers schmerzt mich. Es sind so viele, die davon profitieren. Ich, meine liebe Seele, werde immer kommen, wohin Du mich haben willst, auch nach England. Nur jetzt laß uns nichts an Carolinens Gesundheit versäumen. Ja, auf Rom und den Anblick der Berge freue ich mich un- ——— *) Lohnkutscher. Vgl. Bd. III., S. 468. 312