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[ Band 5 Brief 141: Humboldt an Caroline Berlin, 24. April 1817 ]
141. Humboldt an Caroline Berlin, 24. April 1817 Ich fuhr gestern um 1/4 auf 6 Uhr von hier nach Pots- dam, um den lieben kleinen Hermann *) zu besuchen. In Glienicke hielt ich mich nur eine halbe Stunde auf, um mit dem Kanzler zu sprechen. Ich fand ihn beim Frühstück. Er war sehr freundlich und grüßt Dich sehr. Es sind, seitdem Du weg bist, sehr lebhafte Debatten gewesen, nicht ohne Seelenmotion für viele. Es ist wirklich sehr interessant, den Sitzungen beizuwohnen. 26. Ich habe durch Bülow Deine Briefe erhalten, geliebte Seele. Beide haben mich aufs tiefste gerührt. Du bist so unendlich gut und lieb, teure, einzige Li, daß Worte es nicht zu sagen vermögen. Du mußt es in jedem Moment gefühlt haben, wie unbeschreiblich glücklich mich die Monate des Zusammenseins mit Dir gemacht haben. Ich habe mich nie froher und heiterer gefühlt. Ich bin immer und zu jeder Zeit unendlich glücklich mit Dir gewesen, und ich kann es auch nur der vorangegangenen langen und bitteren Trennung zuschreiben, daß mir dieser letzte Zeitraum noch schöner und wohltätiger schien. Du warst so über jeden Ausdruck lieb und gut mit mir, und ich weiß keinen Tag, keine Stunde zu nennen, in der nicht dies Gefühl aufs neue in mir lebhaft geworden wäre. Unsere jetzige Trennung hat auch mich sehr tief ergriffen, liebe Seele, das glaube mir gewiß, es ist mir ja alles genommen, was mich beglückend umgab, aber es ist mir doch tröstlich, Dich in dem himmlischen Lande, mitten in wehmütigen und heiteren Erinnerungen zu wissen. Es kommt mir auch vor wie eine Pilgrim- schaft zu den Gräbern der geliebten Kinder, die so lange in der Fremde allein waren, es wird in Deinem Gemüt auf lange wieder einen Schatz beglückenden Andenkens zurücklassen. ——— *) Vgl. S. 188. 299