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[ Band 4 Brief 279: Humboldt an Caroline Wien, 21. Mai 1815 ]
einigen nichtssagenden Einwürfen, nun wurde eine Stunde lang ge- kaut, versucht, geändert, ohne daß das Mindeste zustande kam. Ich schwieg, weil es einen ärgert, so etwas mitzumachen. Wie es nun aber gar nicht ging und mit allem Federansetzen und Probieren Metternichs doch nichts aufs Papier kam, wurde ich denn doch zum Sprechen und Schreiben genötigt, und wie nun die saubere Sache zu Ende war, stand Metternich ganz glorreich auf und sagte: »Man muß nur nicht verzweifeln, man kommt doch immer vor- wärts.« Kinder könnten nicht schlimmer sein. Dazwischen hält Wessenberg *) bösartige Predigten, verkündigt, daß gar keine Verfassung als höchstens eine mit einem Kaiser, sonst ein bloßer Bund existieren könne, der Kanzler sagt sehr wahre, sehr gut und brav empfundene Sachen dazwischen, ärgert sich, wird auch wohl heftig, aber da die Sache einmal in schlechtem Gleis ist, so ist ihr gar keine Hilfe zu geben. Der einzige Trost, den wir dabei haben, ist, daß Metternich die Sache, wie wir sie nehmen, auch sehr offen hören muß. Wir sagen ihm in jeder Sitzung, daß es ein erbärmliches Machwerk ist. Er gloriiert sich aber immerfort: »Die Sache ist gemacht, alle Leute haben Hoffnungen, und man kann nun weitergehen.« Lauter solche Phrasen muß man ewig hören. Mit meiner Abreise ist alles noch gleich ungewiß. Der deutsche Bund, wenn man die locker und lose und gar keiner gerechtesten Er- wartung entsprechende Verbündung, die, Dank sei es Metternich, zustande kommt, einen deutschen Bund nennen kann, ist, wie man ihn vorschlagen will, nicht geeignet, viel Schwierigkeiten hervor- zubringen und eine lange Unterhandlung zu erfordern. Man hat aber keinen Begriff von den Zögerungen, die tausend Fehler, die sich indes alle auf Mangel an ernstem Willen zurückbringen lassen, von einem Tage zum andern bewirken. Es ist auch jetzt dahin ——— *) Vgl. S. 290. 557