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[ Band 4 Brief 276: Humboldt an Caroline Wien, 12. Mai 1815 ]
geschieden? Daß sie diese Tage bloß mit August zubringt, begreife ich wohl, und das meine ich nicht. Ich will nur sagen, ob sie wieder anfangen wird? und wie die arme Gabriele es nun indes allein forttreibt? Darüber sage mir ein Wort. Musik, Zeichnen und so etwas, das geht wohl natürlich vor und nach der Heirat weiter. Aber sie hatte auch noch Schreibstunde? Das ist doch nun nicht mehr möglich. Und wie ist es mit dem Griechischen? Es wäre doch nicht gut, wenn dies liegen bliebe. Du schreibst mir nichts von Radziwill *). Ich bin hier ein wenig mit ihm auseinandergekommen. Ich habe nie in seine polnischen Ideen eingehen können, und das hat ein paarmal Erklärungen hervorgebracht, die ihn wohl abwendig gemacht haben. Er hat hier gar nicht gut gewirkt. Einmal hatte er gar die göttliche Idee, daß die Polen in allen drei Herrschaften ihren alten weißen Adler be- halten sollten, und der sollte dann bei uns den Namen des Königs tragen. Unstreitig wäre dann das Eiserne Kreuz auch bald weiß geworden. Überhaupt ging die ganze Tendenz dieser Herren dahin, aus den Polen eine Nation (was bei ihnen immer eine andere Bedeutung als die bloß menschliche, immer auch eine politische hat) unter drei Herren zu machen. Ich habe mit diesem ganzen Wesen nichts zu tun gehabt. Sobald nur die paar Artikel über die Terri- torialzessionen vorbei waren, ist eine Kommission über alle Neben- punkte ernannt worden, bei der ich nicht war, und der Traktat selbst ist allein von Razoumoffski und Hardenberg unterschrieben. Allein einen Artikel über die Rechte der Nationalität, der viel zu weit ging, habe ich doch verhindern können. Radziwill hat seit dem letzten Kriege durch das ewige Intri- gieren für sich und die Polen und durch den langen, immer alle Schwachen entnervenden Aufenthalt in Wien verloren. Seine beste Zeit war in Königsberg, als ich seine Bekanntschaft eigentlich machte. ——— *) Vgl. S. 205. 550