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[   Band 4 Brief 249:    Caroline an Humboldt     Berlin, 14. März 1815   ]


machen, so nimmt wohl jeder bald seinen Entschluß. Nach Neapel
kann ich mir doch nicht recht vorstellen. Murat mußte ja doch
wissen, daß, wenn Napoleon überglücklich wäre, er ja dann nichts
mehr wäre. Ich denke immer, Napoleon hat Frankreich im
Sinn. . . .


250. Humboldt an Caroline                 Wien, 13. März 1815

Ich sitze bei Stewart *), liebe Li, und erwarte die Leute zu
einer Konferenz. Ich habe schlechterdings keine Zeit
gehabt, Dir gestern oder heute früh zu schreiben. Der
König von Sachsen hat mich den ganzen Tag in Odem gehalten.
Vormittag und abends Konferenzen. Von der letzten am Abend
bin ich erst um 1/2 12 zu Hause gekommen. Dann hatte ich eine
Piece zu machen, die mich bis 1/2 2 aufgehalten hat. Heute bin
ich schon vor 9 beim Kanzler gewesen, und nun sitze ich in einer
Schweizer Konferenz, um von hier wieder in eine über Sachsen
und den Abend in eine allgemeine zu gehen.
Wie ich noch Kind in Tegel war, hatte ich oft Spaß, Ameisen,
die einen Baum hinaufkrochen, wieder hinunterzusetzen, um zu sehen,
wie sie immer neu wieder anfingen. So komme ich mir jetzt vor.
All mein Tichten und Trachten geht dahin, zum Agamemnon zu
kommen, der bis zur Hälfte der vorletzten Szene, also bis auf nicht
ganz 400 Verse fertig ist. Seit Ende Dezember bis heute habe
ich keinen Vers machen können. Vorgestern abend war ich endlich
so weit und so rein, daß ich glaubte, gestern arbeiten zu können.
Allein gestern früh kam ein Schwall von Sachen, und ich bin wieder
am Fuß des Baumes.

———
*) Vgl. S. 226.

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