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[   Band 4 Brief 248:    Humboldt an Caroline    Wien, 7. März 1815   ]


sehr zartes Gemüt wünschen soll. Es ist im Leben immer ein
zerreißender Widerspruch zwischen dem inneren stillen Wert und
dem äußeren Glück, und es muß viel nach dem Tode geschehen,
wenn er je gelöst werden soll.
Lebe herzlich wohl, süßes, teures einziggeliebtes Wesen. Um-
arme die Kinder. Ewig Dein H.


249. Caroline an Humboldt                      Berlin, 14. März 1815

Dein lieber Brief Nummer 82 [vom 7.] ist mir gestern nach-
mittag zugekommen. Von früh 9 Uhr an war die ganze
Stadt voll von dem Gerücht der Flucht Napoleons. Ja,
mein liebes Herz, wunderbar genug ist sie, und so tollkühn wird
er ja nicht sein, sie zu unternehmen, wenn er nicht in großen Ein-
verständnissen lebte. Daß diese kund und offenbar werden, daß die
Spreu sich mehr und mehr sondre von dem Korn, dazu mag es
gut sein. Ich wünsche, daß er in Frankreich landen möge. Wir
aber, denk ich, müssen Vorteil von dem Ereignis ziehen. Sachsen
muß von uns besetzt bleiben, der König habe sich nun, wie ihm
gut dünkt. Ich könnte wünschen, daß Napoleon augenblickliche Vor-
teile habe (denn daß er untergehen muß, versteht sich am Ende
doch), damit dieser Montgelas *) und die Fürsten dort am Rhein hin
eigentlich entlarvt würden. Denn wie schnell würden sie nach
ihm sich wenden, wenn nur einiges ihm glückte.
Die nächste Nachricht, wo er gelandet (denn nach Amerika,
wie einige glauben, glaube ich durchaus nicht, er käme auch nicht
hin), erwarten unstreitig die Monarchen in Wien. Sollte aber
diese Nachricht auf tiefere und zusammenhängende Plane schließen

———
*) Vgl. S. 416.

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