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[ Band 4 Brief 212: Caroline an Humboldt Berlin, 17. November 1814 ]
erwiesene Freundschaft. Die Prinzessin sprach nur von Dir und wünscht nur Dich hierher. Wie sehr begreife ich, geliebtes Herz, daß Du mit den Ge- schäften in Wien, der Art, wie sie geführt werden, und vielleicht noch vielem anderen dabei, nicht zufrieden bist. Man muß im allgemeinen wohl in allein Irdischen von der Idee ausgehen, daß nichts so wird, wie die Idee es begehrt, die man in sich trägt, und hier sind die Bestandteile gar zu verschiedenartig gemischt. Am Ende sind die Menschen, die dort figurieren, bis auf einige Ausnahmen, zu denen Du, mein bester Wilhelm, vor allen Dingen gehörst, doch dieselben, die vor drei Jahren noch an die Infallibi- lität Napoleons glaubten, ja die sogar alles taten, um seine Macht zu begründen, und das alles, um ihre eigene Existenz von einem Tag zum andern sicherzustellen. Wie kann man z. B. an eine Veränderung Bayerns glauben, wenn ein Montgelas *) Minister bleibt. Und wieviele ließen in der Art sich nennen! Die Völker sind gut, aber es wird ihnen nicht würdig begegnet. Wie übrigens auf den Kongreß von allen Seiten her ge- wartet, geachtet wird, merkst Du dort im Mittelpunkt vielleicht nicht, allein ich, die ich eben jetzt einen großen Teil Deutschlands durchstrichen habe, ich habe es überall ausgesprochen gehört. Sollte das alberne Souveränitätswesen der ehemaligen Rheinbundsfürsten nicht abgeschafft und die Rechte der Völker gegen ihren kleinen Tyrannen nicht in Schutz genommen werden, so kannst Du gewiß glauben, bleibt es im Württembergischen, im Badenschen und Darmstädtischen nicht ruhig. Das Volk ist tief erbittert und hart bedrückt, und der letzte Krieg hat der Masse überall laut gesagt, was sie vermag. Was das Aufschiebungssystem betrifft, das seit dem Kriege ——— *) Graf Maximilian Montgelas, geb. 1759, † 1838, bayrischer Staats- minister. 416