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[   Band 4 Brief 218:    Humboldt an Caroline    Wien, 4. Dezember 1814   ]


mir historisch und psychologisch merkwürdig, und darum berühre
ich ihn gegen Dich, immer ganz unter uns. Denn mit anderen
muß man selbst die Tatsache nicht zugeben.
Wie die Unterhandlungen hier enden werden, kann keiner vor-
aussehen; über die Art, wie sie gegangen sind, ließe sich unendlich
vieles mündlich sagen, schriftlich müßte man zu weitläufig werden
und liefe doch noch Gefahr, dem andern keinen deutlichen Begriff
beizubringen.
Ich handle mit großer Bedachtsamkeit und Ruhe und kann
mir bis jetzt sagen, nichts zu haben, das ich bereuen müßte oder
nur zurücknehmen möchte. Ich bin eben weit mehr in dem Fall,
daß mir vieles, fast alles beigemessen wird, als in dem, viel selbst
zu tun. Aber es ist mir unangenehm, unter diesen Umständen mit
den Menschen umzugehen, und so wird das ein Grund mehr meiner
Einsamkeit. Wenn meine Menschenfeindlichkeit so zunimmt, verliert
wenigstens mein Glück nichts dabei. Denn ich bin sehr froh in
dem Alleinsein.
Ich habe endlich nach einer Reise von fünf Wochen den
Agamemnon von Hermann *) bekommen und schon zwei Nächte
recht ruhig und mit guter Stimmung daran gearbeitet. Mich
müßte alles trügen, oder die Umarbeitung wird fertig werden.
Ob das Stück dadurch, indem es gewinnt, nicht auch wieder ver-
liert, will ich nicht behaupten. Würde meine Umarbeitung nicht
fertig, täte es auch nichts. Man könnte dann so abdrucken, wie
mein Manuskript jetzt ist. Sehr viele Änderungen mache ich jetzt
nur, weil Hermann, dessen Text zur Seite gedruckt werden soll,
viele Verse anders abteilt; daß ich nun gerade diesem folge, werden
wieder viele, namentlich die Voß und vielleicht auch Wolf **), einen
Eigensinn nennen. Allein es ist in meinen Grundsätzen, die Sache

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*) Vgl. S. 149.
**) Vgl. S. 224.

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