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[ Band 4 Brief 75: Humboldt an Caroline Rötha, 19. Oktober 1813 ]
Adieu, teure, liebe Seele. Es ist über Mitternacht, und eine alte Eltermutter von 84 Jahren fängt ganz schauerlich an im Schlaf zu sprechen. Wahre Sibyllentöne. Ich will mich hinlegen und die Lichter auslöschen und hören, ob man die Weissagungen erraten kann. Adieu, süßes Wesen, umarme die Kinder, wie sich die lieben Mädchen freuen werden. Grüße mir Caroline und die Ramdohr. Es tut mir sehr leid, daß sie soviel leidet. Ewig Dein H. 76. Humboldt an Caroline Leipzig, 20. Oktober 1813 Ich bin mitten unter den Professoren, liebe Li, die mich sehr ehren, und wohne diese Nacht bei Professor Her- mann *), den ich in unendlicher Zeit nicht gesehen, der mich aber sehr freundschaftlich aufgenommen hat. Ich hatte mich mit Lebzeltern verabredet, auf das Schlachtfeld und von da hierher zum König zu reiten. Wir sind nun über beide Schlachtfelder, das vom 16. und das vom 18., geritten. [Folgt eine genaue Be- schreibung der Schlacht.] Es war dies das erste Schlachtfeld, das ich sah, und ich habe nun erst einen Begriff davon. Es liegen noch eine große Menge von Toten darauf, die meisten halb oder ganz nackt ausgezogen, oft mehrere übereinander. Die meisten lagen mit ausgestreckten Armen auf dem Gesicht, wo man erst das Homerische »die Erde mit den Zähnen nehmen« recht versteht und einsieht. Ein armer Hund suchte immer an einer Stelle herum und war nicht wegzu- bringen. Man sah keinen Toten, aber er hatte gewiß irgendeine Spur seines Herrn. Wie wir an einem Ort waren, wo mehrere ——— *) Gottfried Hermann, geb. 1772, † 1848, Philolog, Professor der Philosophie und Beredsamkeit. 149