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[ Band 4 Brief 218: Humboldt an Caroline Wien, 4. Dezember 1814 ]
218. Humboldt an Caroline Wien, 4. Dezember 1814 Ich danke Dir herzlich, liebe Li, für Deinen Brief vom 28. Die Prinzessin Luise, die Zichy und Du schreiben regel- mäßig jeden Kurier, Stein, den wir neulich damit geneckt haben, bekommt nicht so oft Briefe von seiner Frau. Du aber bist unendlich lieb und gut. Über Sachsen wäre höchstens die Frage, ob man den alten König in einem kleinen Teile ließe, und dann soll auch das, denk ich, nicht der Fall sein. Aber freilich wird fürchterlich gegen uns hierin gearbeitet, und am Ende ist die Sache nicht. Du redest ganz richtig darüber und über Preußen. Allein es ist ein mehr noch für die anderen als uns niederschlagendes Faktum, daß hier bei dem Kongreß und namentlich bei den deutschen Fürsten gerade Preußen beargwöhnt, verleumdet, beinahe angefeindet wird, daß man es der Freiheit Deutschlands gefährlich hält und sich mit Vorliebe an Österreich wendet. Das ist noch unbegreiflicher, wenn man bedenkt, wie der Staatskanzler so in jedem Betracht und an- erkannt humaner, freier, gemütlicher, einnehmender ist als Metternich, daß ich mit der Weise, wie Du mich kennst und mit durchaus gleicher Höflichkeit und Gefälligkeit auch mit den Kleinsten spreche und den Kleinsten schriftlich antworte, endlich, daß Stein, der wenigstens viele für sich hat, in der engsten Vertraulichkeit mit dem Kanzler lebt. Aber es ist. Die Gunst läßt sich nicht er- zwingen und nicht erschmeicheln, man muß seinen festen Gang gehen und kann nur so hoffen, daß die Wahrheit dennoch siegt. Die Absichten auf Sachsen werden nun als der allgemeine Grund dafür angegeben, aber sie sind nur Vorwand. Es ist ver- mutlich auch bei den Völkern in Deutschland anders als bei den Fürsten und ihren Gesandten. Dieser Umstand kann weiter die Unterhandlungen nicht ändern und kaum erschweren, aber er ist 427