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[ Band 4 Brief 217: Caroline an Humboldt Berlin, 28. November 1814 ]
fremde Person, die aber viel in der Welt ist und überall hinhorcht, sagte mir gestern: »Ich höre, daß einer unsrer eifrigsten Wider- sacher in Wien Gentz sein soll, und daß er sich alle erdenkliche Mühe gibt, Preußen unterzuhalten«. Ich weiß nicht, ob ich Dir in Bern erzählt habe, daß er einmal im Frühjahr der Jeanne *) gesagt hat, wie die Armeen schon in Paris waren, »nun, wenn’s zu den Verhandlungen kommt, da wird mein größtes Bemühen sein, Preußen hinters Licht zu führen«. Und wie im Februar 1814 Blücher die ungünstigen Affären hatte, da gab er mit ordentlich satanischer Freude den »eitlen Preußen« und ihrem törichten Vorlaufen die Schuld. O glaube mir, dem ist das Gemüt auch untergegangen in Liederlichkeit und physisch- und moralischem Gehenlassen. Das Heiligste, was diese Zeit belebt hat, hat ihn nicht durchdrungen. Mir ist er, weil ich das recht tief an ihm gefühlt habe, auch rein eklig geworden, und in seinen rednerischen Floskeln höre ich nur Bombast und nichts mich tief Ergreifendes mehr. Sieh ihn auch nur an, sieht er nicht eigentlich aus wie ein Gespenst? Man kann alt werden, das meine ich nicht, aber wie eine hohle Schale sieht er aus! Trau ihm nicht! Gestern waren die Kinder mit mir auf einem kleinen Ball, wo man sie sehr niedlich zu finden schien, sie sind es auch wirklich, und vor allem sind sie gut und lieb. Gabriele entwickelt sich immer lieblicher, und ich weiß kaum, ob sie der Schwester irgend etwas vorauslassen wird. Caroline hat seit zwei Tagen Fieber. . . . Gneisenau war gegen 2 Uhr vor meiner Tür, aber da ich in demselben Augenblick zu Prinzessin Friederike **) zum Essen fuhr, konnte ich ihn nicht sprechen. Deine Li. ——— *) Herzogin v. Acerenza. Vgl. S. 65. **) Geb. 1778, † 1841, Schwester der Königin Luise, seit April 1814 Witwe des Prinzen Solms, nachmalige Königin von Hannover. 426