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[ Band 4 Brief 128: Humboldt an Caroline Chatillon, 14. Februar 1814 ]
an denen wirklich die Völker von Herzen teilnehmen, da sind die einfachsten und schlichtesten Gefühle diejenigen, welche den Ausschlag geben, und das hat sich nie so bewährt als jetzt. Aber von den meisten Menschen wird auch die Geschichte vornehm behandelt wie die Begebenheiten, die dieselbe machen, und damit geht dann alle Kraft und aller Gehalt in einigen Kombinationen auf, die ihre Er- finder wahrlich wenig Kopfbrechens gekostet haben. Ich habe dem Gebären solcher Gedanken, mit denen man sich hernach sehr gerühmt hat, beigewohnt und weiß, was daran ist. Auch, weiß Gott! daß ich mich nicht groß dünke, wenn ich selbst so einen zur Welt bringe. Erraten, was das Schicksal und der einfache Sinn, der es ahndet, will, dahin gelangen auf der Spur des Rechten, und ihm nur den Weg zu bahnen, statt ihm überall Hindernisse zu setzen, das ist, was einen echten Staatsmann bezeichnet, wovon aber selten einer nur einen entfernten Begriff hat. Es tut mir doch leid, daß Bernstorff *) zu Deiner Unterredung mit Gentz dazu gekommen ist. Ich hätte gewünscht, daß Du Dich hättest mehr mit ihm allein aussprechen können. . . . Daß die Menschen nur an mir das Paradoxseiende auffassen, ist sehr wahr, aber gewiß auch, daß ich selten so etwas sage, worin nicht eine andere, tiefere Wahrheit zugleich läge. Es ist mehr in mir zu einer Art geworden, von Dingen, die man sonst mit vielen, nur flach empfindenden Menschen kaum nennen dürfte, wenigstens für sich sprechen zu können; daher sinkt auch das Paradoxe gleich in mir, wenn ich mit solchen rede, die unserer eigentlichen Natur näher stehen. Metternich, dem ich eigentlich immer das danken sollte, daß kein Mensch sich so damit abgibt, meine dicta zu ver- gleichen und aufzubewahren, hat einmal bei Tisch beim Kanzler eine ordentliche Auseinandersetzung meiner Paradoxien gemacht, in der ich bewundert habe, wie genau er auf mich geachtet hat. Denn ——— *) Vgl. S. 36. 247