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[ Band 4 Brief 98: Humboldt an Caroline Frankfurt, 6. Dezember 1813 ]
Talent und der wahre Geist, den der Dichter und jeder wahrhaft große Schriftsteller braucht, stammen aus dem Charakter und werden durch ihn genährt. Was nicht so ist, ist in der Wissenschaft mehr oder minder mechanisch und in der Kunst flach und unbedeutend. Die Alten empfanden es auch nie anders, und Aeschylus würde es sehr sonderbar gefunden haben, wenn man ihn hätte hindern wollen, bei Marathon zu kämpfen, um einige Trimeter mehr zu machen. Das ist gerade das Edle am Menschen, daß er mit sich selbst wagt, und wie es darauf ankommt, mit seinem Dasein ein freies Spiel treibt. Den Dresdner Gesandtschaftsposten wird Burgsdorff schwerlich je, so wenig als überhaupt einen bekommen. Ich selbst weiß nicht, ob ich den Mut hätte, ihm einen anzuvertrauen. Er würde sich sehr leicht in politische Spekulationen versteigen und nicht unter- drücken können, was nun seiner Ansicht nach geschehen müßte. Um einen Gesandtenposten so leicht zu behandeln, als sehr oberflächliche Menschen es tun, hat er zu viel Verstand und Kopf, und um ihn gut zu behandeln, zu wenig. Denn dies ist wirklich schwerer, als bei irgendeinem anderen Posten, weil das Geschäft regelloser ist, und man sich alle Mittel selbst schaffen und dazu oft Wege gehen muß, die außer allem Geschäftskreis liegen, weil man eine gänzliche Abnegation seiner selbst haben und unausgesetzt auf die Menschen, die wichtig sind, mit vollkommener Passivität achtgeben muß, mit einem Wort, weil als Geschäft ein Gesandtschaftsposten das Aller- fatalste und Undankbarste ist, das nur, wenn eine günstige Gelegen- heit erscheint, belohnt, in dem aber außerdem Jahre von gleich großer Mühe mit nichts verloren werden. Körners Brief ist sehr rührend und auch sehr schön. Der von der Recke *) ist ganz in ihrer Art, sentimental eigenmächtig mit den Leuten umzugehen. Der arme alte Körner will in der Nähe des ——— *) Vgl. S. 6. 189