< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 3: Humboldt an Caroline Rudolstadt, 17. Junius 1812 ]
und wird auch entsetzlich intolerant und im Gespräch manieriert. Er hatte, wie Du weißt, immer gewisse Lieblingsausdrücke, die halbsagend waren und ihm eigentlich als Aushilfe galten, wenn er zu träge war, seine Ideen recht bestimmt auszudrücken. Aber noch nie habe ich den Gebrauch davon so häufig als diesmal bemerkt. Er begleitet sie auch jetzt mehr mit Mienen und muß einem, der nicht daran gewöhnt ist, sehr wunderbar vorkommen. Von meinen Sprachuntersuchungen war nur den ersten Tag einmal flüchtig die Rede. Er fand aber soviel Interesse daran, daß er den folgenden fast von nichts anderem gesprochen hat. Weimar, Karlsbad und Rom, versichert er, sind die einzigen Orte, wo er leben möge, auf Rom habe er Verzicht geleistet, und dies sei die größeste Handlung seines Lebens. Das Leben in Karlsbad muß schrecklich sein. Vom Physischen rede ich nicht. Von den Gütern der Erde mehr zu kosten als die notdürftigste Lebensunterhaltung erfordert, habe ich bis zu meiner Rückkunft nach Wien ganz aufgegeben. Aber in Karlsbad ist nun der sogenannte Sprudel, an dem man ein bis zwei Stunden lang trinkt, auf einem Brettergerüst, das ungefähr 50 Menschen faßt. Dahinter ist eine schmale hölzerne Brücke, dann enge, fast nie von der Sonne beschienene Straßen, die Allee ist ziemlich weit. Auf diesen Brettern befindet sich nun Goethe alle Morgen mit der Elisa *), Tiedge, Geßler, die er alle nicht leiden kann, zusammen. Er nennt diesen Teil des Karlsbader Lebens selbst eine verruchte Existenz. Zu den Annehmlichkeiten Weimars, die er mir auch einmal hergezählt hat, rechnet er auch »das Frauchen«. Das ist eins der schrecklichsten Dinge in der Ehe, daß Mann und Frau (je nachdem der eine oder andre überwiegend interessiert ist) sich durch Gewohnheit und die Befriedigung kleiner physischer Be- ——— *) Elisa v. der Recke, vgl. S. 6. 9