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[   Band 4 Brief 3:    Humboldt an Caroline    Rudolstadt, 17. Junius 1812   ]


erfahren hoffe, so werde ich dort hingehen, um sie doch nicht auf
so kurze Entfernung und um einen oder zwei Tage zu verfehlen.
Es ist aber freilich fatal, weil ich dann auch nicht umhin kann,
den Hof in Weimar zu besuchen. Es ist für mich eine ordentlich
klebende Gegend.
Bei Weimar fällt mir Riemer *) ein. Weißt Du, daß der
auch bei Goethe nach neun Jahren seine alten Verrücktheiten be-
kommen und deshalb das Haus verlassen hat? Goethe wollte
nicht recht mit der Sprache heraus, ob es Liebe oder Haß gewesen
sei, sagt aber, daß nichts mehr mit ihm anzufangen gewesen sei,
und er selbst darüber wohl ein halbes Jahr fast ganz verloren
hat. Goethe hat so gut als gar nichts Dichterisches in den letzten
zwei Jahren gemacht, wie er selbst sagt. Er ist aber fast fertig
mit einem neuen Teil seines Lebens, aus dem er mir auch einiges
vorgelesen hat. Wenn er es erlebt, in die späteren Zeiten zu
kommen, so wird es, wie man nicht leugnen kann, interessant werden.
Denn er wird zugleich alle seine Urteile über deutsche Literatur
in dem Buche niederlegen. Sein ganzer Umgang mit Schiller soll
ausführlich berührt werden, und er meint, daß er eben deshalb
keinen Beruf gefühlt habe, für die Ausgabe der Werke einen Bei-
trag zu liefern. Es ist Goethen sehr schade, so ungeheuer allein
zu sein, denn so viel Menschen er auch vorübergehend sieht, ist er
mit keinem vertraut und hat mir versichert, daß wenn er Meyer **)
und mich ausnähme, im ganzen weiten Deutschland niemand sei,
mit dem er eigentlich frei reden möge und könne. Er versauert
wohl vielleicht nicht so, aber er verknöchert und verhärtet wirklich

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*) Friedrich Wilhelm Riemer, geb. 1774, † 1845, Philologe, hatte
Humboldt als Erzieher der Kinder 1802 nach Rom begleitet, von 1809 bis
1812 bei Goethe gelebt.
**) Heinrich Meyer, geb. 1760, † 1832, der bekannte Freund Goethes,
Kunst- und Altertumsforscher.

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