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[ Band 3 Brief 226: Humboldt an Caroline Schwarzburg, 9. September 1810 ]
glaube, den deutschen Gegenden nicht. Die Berge haben keine rechten Formen, sind selten üppig genug bewachsen, und weite Aus- sichten bedürfen auch zu sehr des Himmels und der Beleuchtung, die beide hier immer fehlen. Aber enge Täler, wildbewachsene Felsen, wie auf dem Wege von Rudolstadt hierher, können schön sein und sind es. Die Schwarza, ein kleiner, reißender Bach, stürzt immer neben dem Wege in einem manchmal sehr tiefen Abgrunde hin, zu beiden Seiten sind steile Berge, mit Tannen dicht bewachsen und mit vorstehenden Felsmassen. Das Schloß liegt in einem ziemlich weiten Kessel von Bergen, wieder auf einem ziemlich hohen. Die Berge gegenüber sind mit Laubholz bewachsen. In dem Grunde schlingt sich um einen bewachsenen Hügel, der eine Halbinsel gleichsam bildet, eine schöne Wiese, und alles dies ist ein Wild- garten, in dem ich noch gestern unter meinem Fenster 14 Rehe friedlich stehen sah. Wie ich ankam, ging ich zur chère mère *), und wie ich kaum eine Viertelstunde bei ihr war, kam die Fürstin. Seitdem sind wir, einen Teil des Vormittags abgerechnet, immer beisammen. Sie ist unbeschreiblich gut, spricht viel, und, wie Du sie kennst, mit Verstand und natürlich, und man kann wirklich nicht angenehmer leben, als ich tue. Weil Dich die Geschäfte interessieren werden, so rede ich von diesen zuerst. Du weißt, Rudolstadt hat ein altes Wiederkaufsrecht auf Auleben, das 1819 wieder ausgeübt werden könnte. Ich sprach zuerst mit Kettelhodt davon, und daß ich gern eine Retribution für die Verzichtleistung machen wolle. Am zweiten Abend, bei einem Spaziergange, wo ich mit der Fürstin allein war, sprach ich ihr von der Sache. Sie sagte im allgemeinen, sie werde tun, was sie könne; ich glaubte, sie hätte die Sache kaum recht ver- standen, und hielt sie nur für eingeleitet. Schon wie wir uns den Abend zu Tisch setzten, sagte sie mir, daß sie Kettelhodt geschrieben ——— *) Vgl. S. 43. 472