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[ Band 3 Brief 21: Humboldt an Caroline Rudolstadt, den 11. Dezember 1808 ]
21. Humboldt an Caroline Rudolstadt, den 11. Dezember 1808 Ich bin auf einmal in den tiefen, tiefen Winter gekommen liebe Li. Berg und Täler in tiefem Schnee, der, wenn einer geht das liebenswürdige Knirschen von sich gibt, das fast noch eine ärgere Musik als die ist, die man doch auch am warmen Ofen macht; Schlittenfahren, das Theodor so beschäftigt, daß er die halbe Nacht im Schlaf davon spricht, und Fensterscheiben mit den göttlichsten Figuren! Die Fürstin *) fühlt mein Unglück, dies erleben zu müssen. Sie bleibt sich immer gleich und spricht mit tiefem Sinn von Italien. Sie sagte mir noch gestern abend, das, was einem hier fehlt, ist eigentlich das Licht. Es bleibt immer trüb hier, auch bei dem heitersten Sonnenschein, und zwischen gleich schönen italienischen und deutschen Gegenden bleibt immer der Unterschied, der zwischen demselben schönen Gesicht ist, wenn es freundlich und wenn es verdrießlich aussieht. Dabei fällt mir ein Wort der armen verstorbenen Fernow ein, das mir die Fürstin gesagt hat. Sie hat bis an ihren Tod nie etwas anderes über Deutschland gesagt als: »wie arm und wie dunkel!« Wirklich der wahrste Ausdruck für eine Römerin, die immer unter schöner Sonne und unter Obelisken, Bildsäulen und marmornen Kirchen herumgegangen ist. Aber die Kälte macht, liebe Li, daß ich ganz verwirrt schreibe. Wir haben auf den vier Meilen vom Morgen um 7 Uhr bis den Abend um 9 zugebracht und sind am Ende zu Fuß angekommen. Rudolstadt, das ich solange als die Li alt ist, nicht gesehen hatte, hat sich, den Menschen nach, wenig verändert. Die chère mère **) ist noch immer gleich gut und unendlich freundschaftlich gegen mich. ——— *) Caroline Louise, Fürstin von Rudolstadt, geborene Prinzessin von Hessen-Homburg. **) Frau v. Lengefeld. 43