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[ Band 3 Brief 218: Caroline an Humboldt Rom, 8. August 1810 ]
den er getroffen, und der es in tiefster Brust nicht empfände, — aber das Glück, das unberührte, vom Schicksal noch nie verletzte Glück hat es auch! — Ich glaube, daß die tiefe Rührung, die einen so oft beim Anblick der unerfahrenen und doch sinnigen Jugend ergreift, mit daher kommt. Zürne mir nicht, mein lieber Wilhelm, daß ich nicht aufs Land gegangen bin. Ich konnte nicht von Rom weg. Der Ge- danke, daß jeder Tag den Abschied von Rom näher bringt, bewegt mich auf eine unaussprechliche Art. Ich gehe jeden, jeden Abend spazieren, fahre weit hinaus in Vignien und Wege, die ich größten- teils durch Dich kenne, und alle vorigen Jahre gehen wieder in mir vorüber. Meistens bin ich allein, zuweilen begleitet mich Schlosser, *) mit dem sich viel und gut reden läßt. Aber am tiefsten redet man mit sich selbst oder auch mit den Kindern. Man denkt sich in ihr künftiges Leben hinein, und wie die Vergangenheit vor der Seele vorübergeht, so senkt sie sich auch tief in die Ahndung der Zukunft. Denke aber nicht, daß ich unglücklich bin, wenn schon ich in meinem Leben noch nie wehmütiger gestimmt war. Bald werde ich wieder bei Dir sein! O, möge es mir gelingen, Dich so glücklich, so zu- frieden zu machen, wie ich es in der Seele trage und wünsche. Es ist jetzt hier ein Sohn von Gedike. **) Wenn ich ihn an- sehe, fällt mir das Lesebuch ein und unsere Stunden ***) in Burgörner und Auleben, und wie ich dabei weinte, wenn es gar zu schwer war. Ich bin doch ein rechtes Kind gewesen, nicht wahr? Und Du hast immer, ach immer so unendlich viel Nachsicht mit mir gehabt. Ich umarme Dich aufs herzlichste. ——— *) Vgl. S. 146. — **) Deutscher Schulmann geb. 1754, † 1803. ***) Griechische Stunden. 457