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[ Band 3 Brief 204: Humboldt an Caroline Berlin, 3. Julius 1810 ]
ganz unbedeutend zu sein. Sie hat, sagt man, eine Lungenentzündung und ist zur Ader gelassen worden. Sie wird jetzt wohl nicht so bald zurückkommen. Ihr gewöhnlicher Arzt ist Hufeland, *) da dieser aber jetzt verreist ist, um dem König von Holland über seine Gesundheit Ratschläge zu erteilen, so hat sie indes Heim. **) Doch hat man ihn jetzt noch nicht kommen lassen. Sehr begierig bin ich nun, zu hören, wie Du mit meiner neuen Bestimmung zufrieden bist. Beinahe fürchte ich mich ein wenig, daß sie Dir sogar weniger als das Hierbleiben gefällt. Aber, teures Herz, glaube mir, Wien ist gewiß göttlich gegen Berlin. Bedenke nur hier den Sand, die Kienbäume, so gut als keine Kunstsachen und von Umgang, wirklich amüsantem, unendlich wenig. Die Levi ***) sehe ich auch nicht mehr. Ich werde Dir mündlich einige sehr amüsante Sachen von ihr erzählen. Wir sind aber sonst auf gutem Fuß, und sie schickt mir manchmal Billette in der evidenten Absicht, es nicht ganz mit mir zu verderben. Die Herz †) ist die einzige, die ich noch fortdauernd, indes freilich auf eine etwas schläfrige Art, besuche. Denn ich gehe etwa alle 14 Tage einen Abend zu ihr, bin dann gewöhnlich allein mit ihr, führe eine oft stockende Konversation, gähne aber dermaßen (wie mir Prin- zessin Luise schuld gibt, von Lucchesini gelernt zu haben) durch die Nase, daß es kein Wunder wäre, wenn sie sich ordentlich er- weiterte. Es ist wirklich wunderbar und schrecklich zugleich, daß diese Frau von (wie mir einmal die Levi nach Königsberg schrieb) kolossalen Formen, kolossalen Jahren [?] und kolossalen Erfahrungen doch im Grunde meistenteils rein langweilig ist. Ob mein Fortgang nicht äußerst schlimm auf die hier zu er- ——— *) Christoph Wilhelm Hufeland, geb. 1762, † 1836, kam 1810 als Staatsrat in die Abteilung des Ministeriums der Medizinalangelegenheiten. **) Ernst Ludwig Heim, geb. 1747, † 1834, seit 1783 Arzt in Berlin. ***) Vgl. S. 80. — †) Vgl. S. 46. 427