< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 3 Brief 161:    Humboldt an Caroline    Berlin, 6. Februar 1810   ]


hat unendliche Feinde, macht sie sich wirklich oft durch eigene Schuld
und genießt keines guten Rufs für seinen Charakter.
Lebe innigst wohl, teure Seele. Ewig Dein H.


162. Caroline an Humboldt                       Rom, 7. Februar 1810

Ich werde Dir heute, mein teures Wesen, nur wenig schreiben,
weil ich ein heftig Kopfweh habe. Sei aber nicht besorgt,
es ist weiter nichts. Ich habe eben Deinen Brief vom
15. Januar bekommen.
Goethens Roman *) habe ich endlich bekommen und gelesen.
Er hat mich als ein außerordentlich poetisches Produkt, ich meine
Ottiliens Charakter, unendlich frappiert, und das Geheimnisvolle einer
tiefen Natur ist unbeschreiblich in diesem Wesen ausgedrückt oder
der Ahndung hingegeben. Charlotte ist mir zu klug, sie ist es
ach! noch in den zerreißendsten Momenten des Lebens. Die Männer
sind mir gar zu wenig angedeutet. Ich begreife wohl, daß Eduard
ein von Natur schön und reiches Gemüt hat, allein die Heirat mit
einer alten und reichen Frau in früher Jugend ist mir ein Anstoß,
ein Makel — wir wollen mehr darüber sprechen — ich fühle, daß
ich heute weniger noch wie je die Gabe des Ausdrucks habe.
Ich bin begierig auf Deine ersten Briefe aus Berlin.
Adieu Lieber, ich breche hier ab. Ewig Dein.

———
*) Die Wahlverwandtschaften. Vgl. S. 64.

                                                                       333