< zurück Inhalt vor >
[ Band 3 Brief 120: Humboldt an Caroline Memel, 5. Oktober 1809 ]
einem weit, und ich sehnte mich wohl nach einer Seereise. Ich bleibe nur noch die Nacht hier. Dann gehe ich über die Nehrung nach Pillau und bin in vier Tagen wieder in Königsberg. Die Reise hat meinem Körper gewiß sehr wohl getan. Die Bewegung, die Befreiung von sitzender Arbeit und ein immerwährender vor- trefflicher Tisch haben mich wirklich blühend gemacht. Du brauchst gar nicht, mein süßes Kind, um mich besorgt zu sein. Du wirst mich, wenn mir nicht was Besonderes zustößt, nicht einmal mager geworden finden. Ach! aber im Innern finde ich Ruhe und Glück nur bei Dir. Es hat mich sehr gerührt, wie Du so hübsch schreibst: »Ich bin ein arm unwissend Kind«. Ein recht kindlich unschuldiges bist Du wirklich, und das bei großer und seltener Klugheit, das ver- einigst nur Du. Von Deiner Schönheit ist neulich recht zufällig viel in Königsberg gesprochen worden. Dieselbe Frau, die die Zeichnung der Kinder so gern bei sich behalten wollte, hat sich bei Roux *), der jetzt hier ist, nach Dir erkundigt, und der hat Dein Gesicht und Deine Augen, auch die Form des Kopfes, mit ordent- lichem Enthusiasmus gepriesen. Ich besuche ihn ordentlich, seitdem ich das weiß. Die Zeichnung habe ich der Frau — einer kleinen, sehr klugen und guten, aber gar nicht hübschen, eigentlich häßlichen Doktorin Motherby **) — wirklich gelassen. Ich konnte sie doch nicht mitnehmen, und es machte sie so glücklich. Sehr närrisch ist es, daß sehr wenig fehlte, daß die Motherby selbst im Winter Dich in Rom sah. Eine Schwägerin von ihr reiste schwindsüchtig nach Italien und sie sollte sie begleiten. Sie wollte aber schlechterdings in Königsberg bleiben, so wunderbar auch dieser Geschmack ist, und hat es abgewandt. Hier habe ich eine ungeheuere Menge Briefe gefunden und ——— *) Vermutlich der Maler Jakob Wilhelm Roux, geb. 1771, † 1831. **) Vgl. S. 239. 250