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[   Band 3 Brief 114:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 19. September 1809   ]


fragte sie, ob sie den Winter hier sein würde und sie sagte: »toute
ma vie«. Auf diese Worte bin ich aber auch so verstummt und
habe sie mit so verwunderten Augen angesehen, daß sie noch lange
nachher der Prinzessin Luise *), bei der wir zusammen waren, nicht
genug versichern konnte, daß sie noch nie einen solchen Ausdruck
von Vaterlandszuneigung in einem Blicke gesehen. Du müßtest
aber auch nur einmal hier gewesen sein, um zu verstehen, was
das toute ma vie heißt.
Die Königin, die gestern nachmittag auf eine halbe Stunde
zur alten Voß, wo ich eben war, mit ihrer kleinsten Tochter kam,
spricht davon, daß man im November hier fortgehen wird. Ich
wage noch kaum es zu hoffen. Doch werde ich mein möglichstes
tun, auch wenn der Hof bleibt, allein zu gehen.
Es ist sehr hübsch, daß Du mein »Rom« **) en vogue bringst.
Ich habe mich schon geärgert, kein Exemplar hierher mitgenommen
zu haben. Ich weiß nichts davon mehr auswendig, oder wenigstens
nichts Ganzes. Ich werde nie wieder etwas machen, was mir so
lieb sein wird.
. . . Wie sollte ich mich nicht Deiner Existenz in Rom freuen?
Liebe, teure Li! ich lebe und webe in Dir. Noch eh ich Dich je
sah, wie mir nur Carl ***), dessen Nähe mir alles das nähergebracht
hat, von Dir sagte, hatte ich schon einzig die Gedanken, für Dein
Glück zu sorgen, als Du armes Kind noch so bezaubert und
gefangen in der türkischen Stube saßest. Hernach haben wir uns
gesehen, geliebt, miteinander gelebt, Glück und Unglück geteilt —
ach! nichts auf der Welt, was ich für Dich tun könnte, wäre mir
Opfer, nichts könnte ich so ansehen. Es ist meine Bestimmung,
für Dich zu leben, ich bin alles, was ich bin, nur dadurch geworden,

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*) Vgl. S. 135.
**) Vgl. S. 111.
***) v. Laroche.

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