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[ Band 3 Brief 67: Humboldt an Caroline Königsberg, 25. April 1809 ]
nun bedenke, wie Du sie schriebest, oft krank, in der Kälte, mit Bleistift, so ist es wirklich bewunderungswürdig. Es ist mir sehr lieb, daß Goethe sie hat drucken lassen. Genannt bist Du nicht, kaum als Frau bezeichnet. Es heißt bloß »von einer Person, die« usw. Bei den Werken fällt mir ein, daß Alexander klagt, immer mein Gedicht *) nicht bekommen zu haben. Wie mag es denn damit geworden sein? Leid tut es mir übrigens nicht. Ich bin dem Gedicht so gram, unter uns gesagt, und halte es, was der schlimmste Fehler eines Gedichts ist, so langweilig, daß ich es in Deutschland noch nie einem Menschen gezeigt habe. Prinzessin Wilhelm **), die Schwester der Fürstin von Rudolstadt habe ich neulich eine halbe Stunde bei ihr gesehen, sonst gar nicht. Sie ist nicht recht wohl, und alle Prinzen sowie der König leben hier, die einzigen Radziwills ausgenommen, so eingeschlossen, daß man sie nie zu sehen bekommt. Sie ist schön, wenn man will, ein wenig zu streng abgeschnittene Züge, mehr eine römische als grie- chische Gestalt; sie soll sehr viel Charakter haben und spricht un- gemein gut. Die Fürstin ***) —— vielleicht ist’s aber auch nur, weil ich sie mehr kenne — gefällt mir noch mehr. Sie ist auf den ersten Anblick blöder, aber doch offener und manchmal wenigstens naiver, diese scheint sehr fest und bestimmt. Dazu kommt ihr Ton der Stimme, der etwas Kaltes und beinah Fremdes hatte; es wird Dir auch schon so gegangen sein, so daß man glauben könnte, die Stimme käme von einem Dritten und nicht von dem, mit dem man spricht. Unter den Gelehrten gibt es hier mehrere in ihrem Fach achtungswerte und brauchbare, aber keinen sehr interessanten. Die beiden Menschen, die meine Räte sind, Nicolovius †) und ——— *) »An Alexander v. Humboldt.« **) Siehe S. 135. ***) Von Rudolstadt. †) Alfred Nicolovius, geb. 1767, war zum Direktor der Kultusabteilung ernannt worden, die ebenfalls zu Humboldts Sektion gehörte. 145