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[ Band 3 Brief 16: Humboldt an Caroline Erfurt, den 30. November 1808 ]
willen aller Segen vom Himmel über sein Haus gekommen sei. Das könnte ich recht von Dir sagen, teure Seele. Daß ich diese Akten lese, um von allen Dingen recht unterrichtet zu sein, ist wirklich nötig. Aber es ist auch fast das einzige, was sich jetzt tun läßt. Papa redet mir alle Tage vor, daß ich den Abschied nehmen soll, oder daß ich es wenigstens nach seinem Tode werde tun müssen. Ich sage darauf gewöhnlich nur, daß dieser Fall noch lange entfernt und vielleicht alsdann schon von selbst für das Abschiednehmen gesorgt sein würde. Da auch Goltz *) noch vor meiner Ankunft hier schon Berlin ver- lassen hatte, so habe ich noch auf keinen meiner Briefe Antwort. Vielleicht kommt sie auch nicht so bald, da man gerade in einem Augenblick der Krise ist, in dem man sich wird über nichts ent- schließen wollen. Aber bis Neujahr muß sich doch vieles entscheiden. Eben ist Dein Brief vom 10. angekommen, teures Wesen, und hat mich tief gerührt. Wohl hatte auch ich des wiederkehren- den Tages gedacht, arme Li. Der arme kleine Junge **) fehlt mir hier auf eine unaussprechliche Weise noch mehr als in Rom. Daß Du, liebe Li, der künftigen nun nicht mehr fernen Hoffnung lebst, freut mich unglaublich. Wohl hast Du recht mit dem Schmerz. Ein wahrhaft menschliches und tiefes Gemüt kann ihn nicht scheuen, wenn Natur und Schicksal ihn herbeiführen. Es gibt doch nur eine Höhe im Leben, alles Menschliche mit seiner Empfindung ausgemessen, was das Schicksal beut, rein ausgeleert zu haben, und still und milde zu bleiben, daß es sich wieder frei und rein im Busen gestalte. Du und ich, liebe Li, haben diese Gesinnung, aber Deine Natur führt sie treuer und schöner aus, Du bist einzig dadurch, und jeder tiefere Eindruck, den Du machst, kommt, ohne daß man es manchmal ahndet, daher. Deine Freude an werdenden ——— *) Vgl. S. 17. **) Gustav, † 12. November 1807. 33