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[ Band 1 Brief 80: Humboldt an Caroline [Berlin], Sonntag, nachts gegen 1 Uhr, 3. Oktober 1790 ]
so war ich [bekannt]. Aber was anderes und mehr in mir ist, das entstand erst durch das, was Dein Bild, das mich bald unauf- hörlich umschwebt, in mir schuf. Wenn ich mich noch denke, wie ich zum erstenmal zu Dir kam. Nicht wahr, Li, gesteh es selbst, ich war so unendlich wenig, so viele Dinge waren mir noch ganz neu. Ich bedurfte noch so vieler, vieler Bildung. Daß Du mich da so in Dein Herz aufnahmst, mich trugst, übersahst, was mir fehlte, und ohne es selbst zu ahnden, in mir schufst, was Du doch sonst hättest vermissen müssen — danken kann ich Dir dafür nicht, aber Du hättest mich ja dann jetzt nicht geliebt, und — doch das, wer vermöchte es auszusprechen? Montag abend gegen 11 Uhr Ich habe erst gearbeitet, liebe Li, dann bin ich eine viertel Stunde spazieren gegangen. Es war so ein sternenheller Himmel; ich gehe oft so um diese Zeit aus. Neulich ritt ich noch zwischen neun und zehn im Tiergarten. Es war so finster in den schattigen Gängen, und die Sterne blickten nur einzeln durch das dichte Laub. Arme Li, daß Du so etwas nicht auch kannst. Man ist doch allein und in der freien Natur. Ich schrieb Dir, ich würde mich zeichnen lassen, aber ich habe einen Maler gefunden, von dem ich sehr ähnliche Stücke gesehen habe und der wenigstens noch erträglich malt. Bei dem will ich versuchen. Mittwoch sitz ich zum erstenmal. Ich werde mich in dem Überrock malen lassen, in welchem ich immer des Abends zu Dir kam, und im ungepuderten Haar, daß Li die Farbe der Haare auch hat. Wenn es nur recht gut geriete und es Dir viel Freude machte; aber so fürcht ich sehr. So oft ich noch gezeichnet oder gemalt bin, ist so eine glatte Ähnlichkeit ge- troffen, und da seh ich in allen Bildern so entsetzlich einfältig aus. . . . Ich sagte Dir noch nichts wieder von der Goltzen *). Ich sah sie auch noch nicht. Aber Minette **) erzählte mir von ihr. Das ——— *) Vgl. S. 118. — **) Die Cousine Holwede. . 238