< zurück Inhalt vor >
Ideenbeschäftigung zu der auch das Alter von selbst hinneigt. Es liegt zugleich darin das süßeste Unterpfand des Wiedersehens und der Wiedervereinigung. Man kann sie doch nur durch die Stärke der Liebe erringen oder verdienen, was man sich auch darüber ein- bilden oder vorsagen möchte, die Stärke alles Glaubens liegt nur in der Liebe, in jeder Art dieser wundervollen Empfindung, und Theklas Wort bleibt immer das Schönste und Wahrste darüber: »wenn Dein Lieben unserm Lieben gleichet.« Die Liebe aber wächst in stiller Geistesbeschäftigung und wendet in ihr alles sich zu. Darum ist, worüber ich mich schon oft in früher Jugend gestritten habe, das Leben der Frauen so viel höher und edler. Sie knüpfen einfach die stärksten und zartesten Fäden des Lebens zusammen, und weiter kann es der Mann doch auch mit allen seinen Umwegen nicht bringen, er gelangt aber nur selten dahin. Bei dem Lesen der Briefe der Mutter fällt es mir oft bis in Kleinigkeiten auf, wie unendlich sie auf uns alle gewirkt hat, und wie sie schon darum und dadurch gleichsam immer mit uns fortlebt. In mir besonders kann ich in ganz bestimmten Epochen nachgehen, wie sie alles in mir entwickelt hat, worauf ich noch heute Wert setze, und was ohne sie mir ewig verschlossen ge- blieben wäre. Und doch ging sie kaum einmal bei Euch gerade auf Lehren und Bilden aus. Aber ihr Wesen selbst hatte eine stillwirkende Kraft. Jedes tiefere menschliche Gefühl wurde einem an ihr klar, und man empfand deutlich, daß man es so vorher nicht gekannt hatte. Darum, wenn sie uns Unendliches durch ihren Tod entrissen hat, so hat sie uns auch Unendliches gelassen. Denn man kann, auch die Süßigkeit der Erinnerung gar nicht gerechnet, selbst in Ideen ewig in ihr leben und erschöpft ihr einziges Wesen nie. Caroline wird Dir geschrieben haben, daß sie mir eine Kopie des Kopfes aus dem Schickschen Bilde der Mutter geschenkt hat. Ich habe, da die Kopie gut geraten ist, unendliche Freude daran. 364