< zurück Inhalt vor >
mir mein seltenes und weniges Schreiben verzeihen, Du kennst die Ursach, und meine Gedanken sind immer bei Dir. Es gibt so einiges, was der Seele immer gegenwärtig bleibt, woran man darum nicht zu denken aufhört, weil man etwas anderes denkt, worüber das andere nur so hinrollt wie ein Bach in seinem Bett. In diesen Gedanken liegt eigentlich das innere Glück, sie lassen eigentlich nicht unglücklich werden. Denn sie wachsen in Stärke mit der Wehmut und umschließen die Seele fester, je mehr sie ihrer bedarf. So sind Du, geliebte Gabriele, und Deine Schwestern immer vereint mit Eurer Mutter in mir, das Bild einer jeden auf verschiedene Weise, alle bis an ihren Tod vom Hauch ihrer Liebe umgeben, und alle so voll und rein und treu empfindend mit mir, daß ich mit Euch wie mit mir selbst reden kann. Deine neuen Hoffnungen bewegten mich schon tief, als ich zuerst davon hörte. Ich erflehe Dir den besten Segen des Himmels dazu. Er hat bisher Dich und die lieben Kinder bei den vielen Gefahren des armen Linchens so gnädig beschützt, daß er es auch ferner tun wird. Was Du, liebe Gabriele, über die Verbindung zwischen den Un- geborenen und den nicht mehr Lebenden sagst, ist sehr schön und wahr. Begreifen läßt sich allerdings nichts, durch den Verstand nicht einmal erraten, aber die Ahndung des Gefühls gibt darum keine weniger sichere Gewißheit. So viel erreicht man aber auch mit Gedanken, daß wenigstens die Gründe, die uns das, was vor und was nach dem Leben ist, gleich unbegreiflich machen, für die, welche das Leben verließen, nicht mehr vorhanden sind. Einen um- gebenden Schleier zerreißt wenigstens gewiß der Tod, und wenn nicht die Sehnsucht nach dem, was man hatte und nicht mehr besitzt, jedes andere Denken und Empfinden auslöscht, so könnte man sich auf den Tod noch wie auf die Enthüllung des Geheimnisses des Da- seins freuen. Daher ist, was am sanftesten den Tod mit dem Leben verbindet, eine recht ruhige, aber recht lebendige und klare 363