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Humboldt an Hedemann                         Gastein, 16. August 1829

Heute, gerade ein Jahr, als ich mit der lieben seligen Mutter
hier ankam, bin ich wieder hier, aber wie anders! ein-
getroffen. Es hat mich, bester Sohn, unendlich wehmütig
gemacht, die Orte alle hier wiederzusehen, wo die gute Mutter oft
so leidend und dann wieder so heiter, und so die große Natur
genießend war.

 
Humboldt an Adelheid                         Gastein, 29. August 1829

Ihr werdet, liebe Adelheid, aus meinen vorigen Briefen
gesehen haben, daß der hiesige Aufenthalt mir recht gut
tut. Das Bad macht mir, obgleich es doch in der Vor-
stellung gar nicht lieblich ist, um 5 Uhr aus dem Schlaf gerissen
zu werden, um, wenn man viel lieber geschlafen hätte, eine Stunde
auf einer harten Bank im Wasser zu sitzen, jedesmal eine sehr
angenehme Wirkung. Sonst kann ich nicht sagen, daß ich mich
besser befinde als die letzten Wochen in Tegel, wo ich auch schon
von dem Hüft- und Rückenschmerz ganz frei war. Es ist aber
schon viel, wenn ich körperlich hier allein ebenso wohl bin als dort,
wo mich Eure Liebe und Sorgfalt umgibt, teure Kinder. Der
Jäger macht mir die Augen, und schießt mir jedesmal, ohne daß
es je fehlte, wie ein guter Schütze seine zwei Tropfen in jedes
Auge.
Ich denke den Nachmittag nach St. Nikolas hinunterzugehen.
Die Gegend ist doch wunderschön hier, und selbst wo sie es weniger
ist, versetzen schon die hohen Berge, die wilden Elemente in eine
bewegtere und doch einsam auf das innerste Gemüt gerichtete
Stimmung. Der Mutter war hier immer der Schillersche Vers

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