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[ Band 7 Brief 148: Humboldt an Caroline Schulpforta, 12. Dezember 1826 ]
nauesten Nachrichten von dem Wittenberger Markt, der eben war, eingezogen, daselbst mit der Predigerfrau ihre Haube bewundert, die sie für 2 Taler 12 Silbergroschen erhandelt hatte, und mit der sie im Mondschein nach Hause fuhr, einer Frau bei Jüterbogk den ganzen Zobelfang erklärt, weil sie meinen Pelz so schön fand, daß sie Mann und Kinder herbeirief und es sich zur Gnade ausbat, ihn berühren zu können, was ich auch sehr gnädig verstattet habe, und nach allen diesen Abenteuern bin ich doch um 9 Uhr in Bitter- feld gewesen. Der »Traube« von Gräfenhainichen bin ich stolz vorübergefahren, weil mir der Landrat versicherte, daß ich in Bitterfeld viel besser beim Postmeister wohnte. Allein dem Landrat traue ich wenig mehr. Schon unterwegs wollte kein Mensch vom Postmeister, der logierte, wissen, und als ich hinkam und ihn sehr schön durch Grimm begrüßen ließ, kam er selbst mit der Nacht- mütze heraus und versicherte, daß er gar keine Gelegenheit habe. Ich hatte mich auf den Minister verlassen, den hat aber gewiß das böse Schicksal des grünen Wagens, den niemand schön finden will, kontrebalanciert, und so bin ich auf meine eigenen Eigen- schaften reduziert gewesen, die nun den Postmeister ganz ungerührt ließen. Ich mußte also ins »Weiße Roß«. Es war klein, niedrig, aber reinlich. Essen brauchte ich nicht. Ein Talglicht war da, die Stube war warm, das Bett nicht zu kurz, und ich hatte ein Sanskritbuch bei mir. So habe ich mich von 1/2 10 bis 11 sehr gut amüsiert. Heute hat mich ein Postillon von Bitterfeld bis Halle sehr langsam gefahren, womit ich aber das halbe Trink- geld erspart habe. Dann habe ich Professoren besucht, bin vor- züglich bei Gesenius *) geblieben, von dem ich Aufklärung über die Phönizische Sprache und Schrift haben wollte, wovon niemand in Europa so viel weiß als er, und bin dann um 1/2 5 hier ange- ——— *) Wilhelm Gesenius, geb. 1786, † 1842, berühmter Orientalist. 280