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[ Band 7 Brief 113: Humboldt an Caroline Tegel, 2. September 1824 ]
Ich gehe schon oft lange in dem oberen und unteren herum, und insofern kosten mich beide mehr Zeit. Es geht aber auch nichts über den Anblick künstlerischer Schönheit. Der Martius hat Dir also seine Reise verehrt? Der arme Alexander ist krank gewesen. Er hat wochenlang Katarrh, Schnupfen und dazwischen auch Fieber gehabt. Es muß ihn sehr gestört haben, weil er ganz eigen davon schreibt, was sonst nicht seine Art ist. Über Chateaubriand *) Lage klagt er auch. Der Unglückliche hat nichts als 10 000 Franks Pension, als Pair, die von seinen Gläubigern schon bis 1826 in Beschlag genommen sind. Entlassene Minister bekamen sonst in Frankreich 100 000 Franks Retraitepension. Dies ist aber abgeschafft, weil der Fall zu oft vorkam. Richelieu **) hat noch die Ehre genossen, sie aus- schlagen zu können. Alexander lobt sehr Kamptz’ ***) Benehmen gegen ihn. Er hatte ihm einen Mathematiker Oltmanns zur Anstellung empfohlen, und Kamptz hat ihn gleich mit 800 Talern jährlich angestellt. Outre cela, schreibt Alexander, il m’a nommé un grand homme. Sein ganzer Brief ist unendlich hübsch. Daß Goethe nicht in Marienbad ist, begreife ich nicht. Als ich ihn sah, schien sein ganzes Herz daran zu hängen. Vielleicht hat es sich in ihm umgewendet, er setzt gewöhnlich den beweglichen Fuß nur leicht auf. Vielleicht hat ihn aber auch das platte Ge- rede abgeschreckt. Die Menschen quälen sich mit nichts so als mit der Tugend, und mit nichts weniger glücklich. Denn sie ist nur etwas, wenn sie freiwillig geübt wird. Sich im Leben neben diesen ——— *) Der berühmte Schriftsteller und Staatsmann, geb. 1768, † 1848. **) Armand Emanuel Duplessis, Herzog von Richelieu, geb. 1766, † 1822, unter Ludwig XVIII. Minister. ***) Karl Heinrich v. Kamptz, geb. 1769, † 1849, der spätere Justizminister, war 1824 Direktor der Unterrichtsabteilung im Kultusministerium. 217