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[ Band 7 Brief 113: Humboldt an Caroline Tegel, 2. September 1824 ]
113. Humboldt an Caroline Tegel, 2. September 1824 Es fängt jetzt etwas ruhiger an im Hause zu werden, liebe Li, der Saal ist eingerichtet und wird nun schon rein gemacht. Ebenso die große Stube unten, wo ich wohnen werde. In diese habe ich auch Deine Büste gestellt. Sie ist freilich ganz anders als sie sein sollte und hat nichts von dem Zarten und Lieblichen, kaum einen leisen Schein des Tiefen Deines Gesichts, was im Schickschen Bilde *), dem es auch an Grazie mangelt, doch sehr schön ausgedrückt ist. Aber eine Ähnlichkeit liegt immer darin, und ich habe sie in Rom immer in meiner Stube gehabt. Es ge- währt doch der Phantasie einen Anhalt. Rauch hat nicht geruht, bis Thorwaldsens Name ihr hinten eingegraben worden ist. Tieck gibt ihm Schuld, daß das nur aus Furcht sei, daß man glauben könnte, er habe den übergroßen Haarschmuck gemacht. Sonst stehen, aber an ganz verschiedenen Wänden, in meiner Stube die vier Torse. In meiner Schlafkammer habe ich auch auf ein altes Posta- ment den Römerkopf gesetzt. Es ist nicht übel, eine strenge Miene vor sich zu haben, die einen zum Aufstehen nötigt. Auch die Kinder aber geben zu, daß der arme verschmähte Römer sich in seiner niedrigeren Stellung viel besser ausnimmt. Im Grunde seid Ihr ungerecht gegen den Kopf. Er ist recht gut gearbeitet, kann leicht ein Pompejus sein und ist wenigstens der echte Cha- rakter eines Römers, der sonst im Hause nirgends mehr ist. Rauch meinte, ich solle ihn zwischen die weiblichen Torse stellen. Da hätte er aber wie ein Sittenrichter ausgesehen. Der große weibliche Torso steht in aller seiner Glorie. Es ist doch eine wunderschöne Gestalt. Arria nimmt sich mit den Armen auch viel besser aus, wirklich unvergleichlich schön. Ich denke doch, es soll Dir, geliebte Seele, Freude machen, den Saal neben Deinem Kabinett zu haben. ——— *) Vgl. Bd. III. 216