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[ Band 7 Brief 108: Humboldt an Caroline Schmiedeberg, 22. August 1824 ]
interessante Person ist, doch etwas Rührendes. Sie weiß, daß sie nicht besser werden kann, und will hier still ihren Tod abwarten. Sie hat sich in einem Hause, das auch dem Gastwirt gehört und mit dem Wirtshaus zusammenhängt, eine recht hübsche Stube, eigentlich ein Dachzimmer einrichten lassen und sitzt, wie es scheint, den ganzen Tag am Fenster, wo sie ein sehr schönes Stück Aus- sicht nach dem Gebirge und der Schneekoppe hat. Von da kommt sie jetzt, wie sie mir sagt, nur in ihr Bett. Von dem Tode und ihrem Wunsch, daß er sie endlich befreien möge, sprach sie sehr viel und wirklich hübsch, mit der größten Ruhe und ohne alle exaltierte oder angenommene Frömmigkeit. Es ist mir immer merkwürdig, wie Menschen, deren Individualität an sich nicht bedeutend ist, in den großen Ereignissen des Lebens gleichsam in die allgemeine Menschheit übergehen und dann wieder durch ihren Zustand und ihr Anfangssein ergreifen und erheben. Es ist, als wenn das Schicksal doch den Menschen nie ganz verließe, und auch den, der nicht durch sich selbst hervorstrebt, wenigstens in Momenten groß und rührend darstellte. Gegen 12 ging ich auf einem sehr schönen Wege hinter der Stadt herum nach Ruhberg, wo Radziwills wohnen. Ich fand sie aber nicht. Sie wurden erst zu Tisch zurückerwartet. Ich ging auf einen kleinen Berg hinterm Hause, wo oben eine Ruine ge- baut ist, und wartete sie dort ab. Sie haben mich mit der zuvor- kommendsten Güte und Freundschaft behandelt und empfangen, und sie besonders hat nicht aufgehört, nach Dir und allen Kindern zu fragen. Sie sieht wieder recht wohl aus, obgleich sie, wie Du weißt, vor einiger Zeit recht krank war. Das Leben hier ist, die Landpartien abgerechnet, ungefähr wie in Berlin. Kupferstiche be- sprechen, Zeichnen, Sprechen nimmt den Abend hin. Das Haus, in dem sie wohnen, ist nicht häßlich, aber klein. Der Garten will jetzt nicht viel sagen, aber er hat doch schöne Bäume und unmittel- 208