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[ Band 7 Brief 102: Humboldt an Caroline Schulpforta, 25. November 1823 ]
kommt. Dieser heißt Wethau und liegt etwa eine Stunde von Naumburg nach Weißenfels zu. Sechsunddreißig weißgekleidete Mädchen überbringen der Kronprinzessin ein Sonett, dessen Sinn in etwas nordischen Reimen der ist, daß es im November keine Blumen gibt, was nicht zu bestreiten ist, daß aber in Bayern und Preußen doch eine Blume wächst, die so gefällig ist, sich in jedem Teil des Jahres pflücken zu lassen. Dies Wundergewächs ist denn die Volksliebe. Ist das nicht sehr sinnreich? Auch die Pforta hat ein Gedicht gemacht. Aus zwölf von Schülern verfaßten hat man eins von einem Herrn von Usedom aus Rügen gewählt, in dem die Pointe ist, daß die Kronprinzessin mit der Schulpforta verglichen wird. Was mag nun in den andern stehen, da dies das beste gewesen ist? Zu diesem Gedicht ist ein Kissen von rosa Samt mit silbernen Franzen von namhafter Größe und Dicke gemacht, und mit diesem Kissen und drei Schülern begibt sich nun Ilgen heute an Ort und Stelle, um seine Cour auf der Chaussee zu machen. Über seine Toilette ist heute viel debattiert worden, und besonders, ob er seidene oder Glacehand- schuh anhaben soll. Zum Glück habe ich ein Paar von Weimar aus, und so habe ich ihn damit ausgestattet. Man erwartet die Kronprinzessin erst um 3 Uhr in Wethau. Das Erfreulichste ist, daß bei dieser Gelegenheit alle Schüler Er- laubnis kriegen, auszugehn und die dunkle Pforta zu verlassen. Man nennt das hier mit einem etwas schreckenden Ausdruck: Der ganze Coetus wird losgelassen. Diese Entzügelung und Freude der armen Jungen wird unstreitig das Reellste an der ganze Fête sein. Sollte Ilgen heute abend bei seiner Zurückkunft etwas Merkwürdiges mitbringen, so schreibe ich es noch. Ohne alle Aventüre kann so ein Zug schwerlich abgehn. Doch muß ich Ilgen die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er gegen die ganze Sache ist und auch die Unpaßlichkeit des Gedichtes fühlt. Er hat sich 195