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[   Band 7 Brief 99:    Humboldt an Caroline    Weimar, 19. November 1823   ]


»Vor nicht gar langer Zeit«, war es mir klar, daß es die Frucht
seines Marienbader Umganges war. Die Elegie behandelt nichts
als die alltäglichen und tausendmal besungenen Gefühle der Nähe
der Geliebten und des Schmerzes des Scheidens, aber in einer so
auf Goethe passenden Eigentümlichkeit, in einer so hohen, so zarten,
so wahrhaft ätherischen und wieder so leidenschaftlich rührenden
Weise, daß man schwer dafür Worte findet. Die selige Nähe
der Geliebten ist in ihrer ganzen faltenlosen Einfachheit des Glücks
geschildert, mit dem Frieden Gottes, mit dem Gefühl frommer
Seelen verglichen. Von dem, was eigentlich fromm sein heißt, ist in
wenigen Zeilen eine namenlos schöne Beschreibung. Dann ist die Be-
trachtung der Natur, die Anschauung des Weltalls, also das, was
Goethes innerste Beschäftigung ausmacht, der Geliebten gleichsam
entgegengesetzt, indem der Dichter sich fragt, warum ihm das alles
denn nicht mehr genüge? Und dieser Kontrast hebt das Gefühl
der Liebe auf eine wundervolle Weise. Die Geliebte ist nur in
einer einzigen Stanze (das Gedicht besteht aus sechszeiligen Stanzen)
mehr angedeutet als geschildert. Wie er nämlich davon spricht,
daß ihn Fels und Feld und Wiese nicht mehr ansprechen, sagt
er: »auch nicht der Wolken zart Gebilde«, und wie er dies Gebilde
beschrieben, heißt es, womit sie am ähnlichsten zu vergleichen ist,
sie »die lieblichste der lieblichen Gestalten«. An dieser Stelle geht
er gleich auf sie wieder über, aber gleich wieder vom Sinnlichen
ab, indem er sagt: »allein warum suche ich sie da und nicht im
inneren Gemüt, wo ihr Bild so tausendfältig herrscht, daß es als
Eins sich zu vielen hinüberneigt.« Zuletzt, da nun die Scheidung
gewiß ist, wo gesagt ist, daß sie noch ihm nachgeeilt ist, noch nach
dem letzten Kuß ihm einen letztesten gegeben, bricht er in die volle
Rührung aus: »So fließt denn meine Tränen unaufhaltsam« usf.
Nach der Lesung spann sich nun ein Gespräch darüber an;
die Person wurde nie genannt, aber es war eigentlich immer von

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