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[ Band 7 Brief 97: Humboldt an Caroline Weimar, 17. November 1823 ]
sind sehr liebenswürdig; die älteste, Marie, sehr hübsch, und sie spricht so gut und so dreist und doch bescheiden, daß sie wie eine erwachsene Prinzessin empfängt. Man hätte aber Unrecht, das eine Abrichtung zu nennen. Sie ist sehr natürlich dabei und ver- ständig. Die Jüngere, Augusta, ist weniger förmlich, aber sehr hübsch lebhaft, und tat, indem sie ihre Schwester am Arm hatte, allerlei Kreuz- und Querfragen ins Gespräch. Von da mußte ich zum Erbgroßherzog *) gehen, der Dich sehr grüßt. Ich sah bei ihm eine kleine Statue von Rauch, wie sie sagen, eine Blumenträgerin, die mir nicht sonderlich gefiel. Dann ging es, weil es Sonntag war, zur Cour zur Großherzogin, und um 8 fuhr der Großherzog mit mir zum Souper zur Jage- mann, wo niemand als ihre Schwester und die Seidler war. Da sie lebendig und munter (aber gar nicht mehr hübsch) ist, und den Großherzog zu erheitern suchte, war es gar nicht ennuyant. Sie deklamierte einiges aus Schiller und erzählte auch einige Anekdoten recht hübsch, unter anderem wie des Großherzogs großer Hund ihr einmal einen kleinen totgebissen hätte, wie sie, um sich von ihrem Schmerz zu zerstreuen, nach Leipzig gereist wäre, wie sie da die Krüdener **) gefunden, wie die ihren Schmerz bemerkt und ihr zum Trost gesagt habe: Auch d i e s e n Hund werden Sie wieder- sehen. Ist das nicht der Recke ***) würdig? Heute war den Morgen, den ich zwischen Carolinen und Goethe teilte, Ruhe, weil der Großherzog auf der Jagd war. Den Nachmittag besuchte ich wieder Goethe. Dann mußte ich ins Theater, in die kleine Loge mit dem Großherzog, und hernach zum Souper bei der Großfürstin. Ich bilde mich hier ordentlich. ——— *) Karl Friedrich, geb. 1783, † 1859, Großherzog 1828. **) Barbara Juliane v. Krüdener, geb. v. Bietinghoff, geb. 1764, † 1824, die bekannte Pietistin. ***) Elisa v. der Recke, geb. Gräfin Medem, geb. 1754, † 1833. 182