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[ Band 7 Brief 95: Humboldt an Caroline Weimar, 12. November 1823 ]
gebeten, sie zu vermitteln. Ob das aber gelingen wird, steht doch dahin. Denn obgleich beide sich ehren und lieben, so bestehen sie doch gegenseitig auf ihren Meinungen. Das alles muß natürlich ganz unter uns bleiben. Schillers jüngste Tochter, Emilie *) denke ich, ist ein wunder- bares Gesicht und Gestalt. Man kann sie lange ansehen und un- gewiß bleiben, ob man sie schön nennen soll, aber nicht einen Augenblick, ohne nicht sehr auf sie hingezogen zu werden. Sie hat etwas so Einfaches, so Reines, so Edles in den Zügen, etwas so durchaus Jungfräuliches, ohne im Gespräch irgend verschlossen zu sein, daß man so etwas gewiß nur äußerst selten erblickt. Sie hat mir ausnehmend gefallen. Die Älteste ist bei der Chère mère **) und soll gar nicht anziehend sein. Lolo und Caroline grüßen Dich, Carolinen und Gabrielen un- endlich, auch die Stein ***) hat mit der größten Teilnahme nach Euch allen gefragt. Ich habe ihr von allen Kindern erzählen müssen. Die arme Frau ist aber sehr taub und kann fast gar nicht gehen, ist selbst zu schwach, in ein Bad zu reisen. Der Fürstin von Rudolstadt †) habe ich heute geschrieben und mich auf den 21. angemeldet. Es war dies nötig, da sie manch- mal so krank ist, daß sie schlechterdings niemand sehen kann. Ich freue mich sehr, zu ihr zu gehen. Ich kann Dir nicht sagen, süßes Herz, was mir das Wiedersehen dieser Gegenden für Freude macht, lauter süße Erinnerungen an Dich und an eine glückliche Zeit. Ich gehöre zwar gar nicht zu denen, die die vergangene Zeit glücklicher nennen als die gegenwärtige, ich kann nicht finden, ——— *) Geb. 1804, † 1872 als Gattin des Frhrn. v. Gleichen-Rußwurm. **) Frau v. Lengefeld, Mutter der Caroline v. Wolzogen und Charlotte v. Schiller. ***) Charlotte v. Stein, geb. 1742, † 1827. †) Caroline Luise, geborene Prinzessin zu Hessen-Homburg, geb. 1771, † 1854. 175