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[ Band 7 Brief 94: Humboldt an Caroline Schulpforta, 9. November 1823 ]
zum großen Kummer des Vaters in kurzem fortgeschickt. Über den jungen Eylert, den Sohn des Bischofs, wurde gestern, vieler Un- arten wegen, Gericht gehalten. Er ist 18 Jahre alt und sitzt in Untertertia, wird aber auch vermutlich bald fortgeschickt werden. Ilgen muß man mit seiner Art sich auszudrücken darüber hören. Er sagt ganz naiv: »Wenn die Jungens Anstalt machen, sich in Tertia anzusiedeln und sich da fürs Leben festzusetzen, müssen sie, marsch!, hinaus!« Er schiebt übrigens die ganze Schuld darauf, daß die Eltern die Kinder nicht genug mit Ohrfeigen und mit dem Stock behandeln, und die Rede, die er gestern, wie er mir erzählte, dem jungen Eylert gehalten, wie sein Papa und seine Mama ihn behandeln sollten, war, wenn man sich den Bischof dazu denkt, das Komischste auf der Welt. Eine eigene Klausur hat Ilgen für alle Nüsse in der Pforta angeordnet. Es darf weder eine Wal- noch Haselnuß in das Tor hinein. Ilgen behauptet, wenn man den Jungen Nüsse zu essen erlaubte, so wäre kein Mensch mehr seines Lebens und seiner Glieder sicher. Man bräche Hals und Bein über die Schalen auf Treppen und Gängen. Den 10. Ich habe heute mittag ganz unvermutet, süßes Kind, Deinen und Kunths Brief bekommen und danke dir unendlich dafür. . . . Über Goethe schreibst Du sehr wahr und schön. Wohl be- gräbt man eine Welt mit ihm. Denn es ist seiner Natur eigen, alle die verknüpfenden Anschauungen, und dies Forschen nach dem ganzen und vollen Wesen der Dinge, wie sie über sich und unter sich aneinander grenzen, zu haben, auf dem auch alle Weltver- knüpfung in der Wirklichkeit und Unendlichkeit beruht. Mir ist es oft mit großem Bedauern aufgefallen, wie ich die Stücke las, daß von eigentlichen Naturforschern das wohl wenig geschätzt, ja nur beachtet wird. Selbst Alexander möchte davon nicht Ausnahme machen. Wenigstens hat er mir von dieser Morphologie nie ge- 170