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[   Band 7 Brief 93:    Caroline an Humboldt     Berlin, 8. November 1823   ]


besser. Die Luftveränderung, wie klein sie ist, und Bewegung in
der grünen Chaise kann günstige Wirkung haben.
Mit Gabrielen geht es fortdauernd sehr gut. . . .
Ich lese Goethens Morphologie, es interessiert mich sehr. Er
und seine Individualität am meisten. Denn er ist im kleinen, was
die Natur im großen. Das Höchste und das Gewöhnlichste lebt
und webt in ihm, — und mit ihm, ach, legt man doch eine Welt
ins Grab! 
Tausend Liebes der Wolzogen, der Schiller und Goethen selbst.
Bald mehr von Deiner treuen Caroline.


94. Humboldt an Caroline             Schulpforta, 9. November 1823

Du wirst hoffentlich, liebste Seele, meine Zeilen aus Halle
bekommen und schon daraus ersehen haben, daß es mir
recht gut gegangen ist. . . .
Hier habe ich alles beim alten gefunden. Ilgen sieht mir
schwächer aus als im vorigen Jahr und hat, ob er gleich jetzt ganz
wohl ist, lange an einem bösen Fuß gelitten, und zwar weil er,
was wirklich nur ihm begegnen kann, sich selbst getreten hat. Sie
aber ist ganz unverändert. Sie haben 7 Kostgänger, und so ist
mittags ein ansehnlicher Tisch. Abends essen wir allein. Ich be-
wundere mich selbst. Ich habe keinen Gedanken an Tee und be-
handle das Souper mit dem größten Ernst. Der Mensch kann
sich wunderbar ändern.
Der kleine Maltzahn ist nicht mehr hier. . . . Überhaupt
scheint doch unter den Kindern dieser Generation eine eigene Scheu
vor den Wissenschaften zu herrschen. Der kleine Helvig ist auch,
zwar unter dem Vorwand der Gesundheit, aber auch weil er gar
nichts lernte, weggenommen worden. Der junge Saalfeld wird

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