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[ Band 7 Brief 90: Humboldt an Caroline Tegel, 30. August 1823 ]
macht sich so etwas in jedem auf seine Weise, sie sind gewiß ebenso glücklich, als wir waren und sind, allein davon bin ich fest überzeugt, daß weder Hedemann noch Bülow ihren Frauen so viel in der Ansicht des Lebens, in den Ideen über die wichtigsten Dinge, in den tiefsten Wendungen des Gemütes verdanken, als ich Dir, und doch liegt in Adelchen und Gabrielchen so viel, daß es sein könnte. Ich weiß ganz bestimmt daß sich durch Dich Dinge in mir entwickelt haben, die ewig geschlummert haben würden, wenn sie freilich auch, um hervorzukommen, in mir liegen mußten. Es ist auch nicht, daß Du etwas dazu getan hättest, nein, Du hast bloß so neben und mit mir gelebt. Aber wenn man sich so beständig und unaufhörlich mit einem wirklich tiefen und reichen weiblichen Wesen beschäftigt und sie in ihrem Ganzen, mit ihren Vorzügen und Schwächen, zu fassen sucht, und die immer an Stärke und Innigkeit zunehmende Achtung den Sinn schärft und das Aufnehmen er- leichtert, so gibt es, wenn man nur irgend empfänglich ist, und das bin ich nun wirklich vorzüglich, nichts so mächtig den Kopf und das Gemüt Bildendes auf Erden. Das alles ist aber ganz un- möglich bei zu jungen oder zu ungleichen Heiraten. Es ist so spät geworden, daß ich heute aufhören will, verzeih das lange Geschwätz, aber es ist so süß, mit Dir zu reden. Bald können wir es ja wieder mündlich. Ich freue mich unendlich darauf. Von Herzen gute Nacht! Den 31. Bülow kam schon heute früh aus Düssin zurück, schien aber gar nicht sonderlich erbaut von dem, was er gefunden hatte. Die sogenannte marmorne Statue ist bloß von Sandstein, und mit der Bewirtschaftung des Gutes geht es auch schlecht. Düssin ist Fideikommiß, und der Vater scheint in seinem Testament bestimmen zu wollen, daß das Los unter den Söhnen über den Besitz ent- scheiden soll. Auch das Haus hat Bülow gar nicht recht mehr 165