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[   Band 7 Brief 90:    Humboldt an Caroline    Tegel, 30. August 1823   ]


auch hineintun könnte. Ich lobte diesen, sie klagte über seinen
Leichtsinn und die schlechten Schulzeugnisse. Ich sagte, sie möchte
sich wenigstens an die Unzufriedenheit des Vaters nicht kehren.
Er habe, da wir beide frei darüber reden könnten, noch eine alte
verdrießliche Hofmeistertournüre, er sei auch immer mit uns böse
gewesen und habe versichert, daß wir nichts lernen würden, und
nun wäre es doch so schlimm nicht geworden usw. Das öffnete
ihr ordentlich den Mund und sie klagte nun, und wirklich mit
Recht, daß er gar keine Manier habe, mit Kindern umzugehen,
zu verdrießlich, zu krittelig, bald zu strenge, bald zu gelinde sei.
Der Heinrich mache sich gar nichts mehr aus seinem Schelten.
»Es geht ihm wie mir, sagte sie, anfangs in unserer Ehe hielt er
mich wie ein Kind, schalt über alles, hofmeisterte immer; da ich
schlecht Deutsch sprach, hielt er Predigten über jedes falsche Wort.
Wenn ich ihn auch manchmal auf Knien um Verzeihung bat, blieb
er doch böse. Da nahm ich endlich meine Partie und ließ ihn
brummen und mache mir nichts daraus, sondern denke, daß er ein
guter Mann ist, der aber einmal diese Gewohnheit hat. Und von
Zeit zu Zeit sage ich ihm recht ordentlich die Wahrheit. Da wird
er zwar böse, aber es hilft doch. Ich muß es jetzt wieder tun,
es tut mir immer leid, da es ihm weh tut, aber es ist ihm doch
gut.« Ist das nicht himmlisch, solch’ Eheamüsement? Es zeigt
mir aber immer mehr, daß es gar nicht gut ist, wenn die Frau
jünger als der Mann ist. Sie sagte auch sehr gut: »Unter Mann
und Frau muß wahres Vertrauen sein, man muß sich alles sagen
können, so kann es aber nicht unter uns sein.« Es ist wirklich
wahr, ohne völlige Gleichheit im Alter und allem ist es mit der Ehe
wenigstens nie das Höchste, es ist nichts so fatal, als wenn sich der
Mann so viel klüger und erfahrener hält als die Frau, es kann
da lange nicht so ein Genuß des ganzen Wesens durch das ganze
Wesen sein. Bei unsern Kindern fällt es mir oft ein. Zwar

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